Die Philosophie der Zeit: Weisheit in der Lebensgestaltung

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Ehrwürdiger Meister,
würdige und geliebte Brüder,
liebe Gäste,

meine heutige Zeichnung behandelt das Thema Zeit. Das Thema beschäftigt mich derzeit, denn unser aller Leben ist endlich und deswegen sollte man seine Zeit so gut wie möglich nutzen. Seit einiger Zeit arbeite ich sehr intensiv und zeitbindend als geschäftsführender Gesellschafter im Familienunternehmen. Für das Unternehmen und die zahlreichen Aufgaben verwende ich viel meiner endlichen Lebenszeit und tue dies gerne und auch aus vollster Überzeugung. Grundlegend hinterfrage ich aber meine Tätigkeiten und eingeschlagenen Lebenswege von Zeit zu Zeit und habe mich daher in jüngerer Vergangenheit mit dem Thema „Zeit“ und meiner persönlichen Nutzung von Zeit beschäftigt. Grundlegender Denkanstoß bei meiner knappen Zeit war: Kann ich meine ohnehin knappe Zeit sinnvoller einsetzen? Kann ich mehr Freizeit haben oder mehr im Job erreichen, wenn ich meine Zeit effizienter einteile? Wenn ja, wie nutze ich dann meine kostbare Lebenszeit? Da mich viele Fragen hierzu bewegt haben, habe ich mich dazu entschieden das Thema „Zeit“ heute zum Inhalt meiner Zeichnung zu machen.

In meiner Zeichnung werde ich zunächst philosophisch, geschichtlich und wissenschaftlich versuchen zu umfassen, was Zeit eigentlich ist, um dann kurz zu skizzieren wie Menschen in der heutigen Gesellschaft ihre Zeit nutzen. Abschließend werde ich Ihnen und Euch mitteilen, was aus meiner derzeitigen Sicht das Beste für mich persönlich wäre, die noch verbleibende Lebenszeit zu verwenden. Vorab sei gesagt, dass dieses Thema für jeden individuell natürlich anders ausfallen wird und es gibt selbstverständlich kein richtig oder falsch. Abschließend freue ich mich auf Ihre/Eure Sicht und natürlich auch auf die Sicht unserer Logenbrüder.

Zeit, was ist das genau?

Der griechische Denker Heraklit entwickelte etwa 500 v. Chr. die Vorstellung des πάντα ῥεῖ (Panta rhei); übersetzt bedeutet dies alles fließt, Heraklit bezog dies darauf, dass er das Sein (in der Zeit) mit dem Lauf eines Flusses verglich. Er machte deutlich, dass man in denselben Fluss steigen könne, immer sei es jedoch ein anderes Wasser, doch sei es nicht nur anderes Wasser, auch der Mensch, der in den Fluss steige, sei nicht der, der bereits zuvor in den Fluss gestiegen sei; auch der Mensch habe sich verändert. Somit war Heraklit der Ansicht, man könnte nicht zweimal in denselben Fluss steigen. Dies mag ein durchaus abstraktes Bild sein, doch drückt es aus, dass auch die Zeit im Fluss ist, es findet immer Veränderung statt und so fließt auch die Zeit in eine Richtung. Durchaus handelt es sich dabei um eine Herausforderung für den Geist, da sich das heraklitische fließende Zeitbild auch auf weitere Ebenen, wie zum Beispiel dem der „subjektive[n] Zeit“, ausdehnen lässt.

Ein anderer Philosoph der griechischen Antike, Aristoteles (etwa 350 v. Chr.), verstand die Zeit als „Zahl der Bewegung nach dem Früher oder Später“. Seine Zeittheorie geht in eine doppelte Richtung: Diese Zeittheorie ist philosophisch und naturwissenschaftlich angelegt und führt auch in Richtung der Zeitmessung. Die Zeit wird bei Aristoteles gezählt und zur Objektivierbarkeit muss es sich dabei (damit die Vergleichbarkeit hergestellt ist) „um gleich lange Zeit- oder Bewegungsstücke handeln“. Die Zeit zu zählen bzw. etwas zu messen, war in der aristotelischen Vorstellung etwas Vergleichbares, zumal es zwar schon Sonnenuhren gab, die Ergebnisse aber immer von der Jahreszeit abhingen. In der Zeittheorie des Aristoteles ist „weder von Stunden noch Tagen, Monaten oder Jahren die Rede“, ihm ging es darum, die Zeit zu zählen und darum, dass Bewegung mit im Spiel ist. Er vertrat die Ansicht, dass ein „direktes Zeitgefühl“ ohne den Aspekt der Bewegung nicht möglich sei, somit also eine Bewegung der Zeit auf einem Zeitstrahl.

Eine Beschäftigung mit der Zeittheorie des Aristoteles macht deutlich, dass die griechische Antike ein gänzlich anderes Zeitverständnis hatte, was darin begründet war, dass der Mensch der Antike vom Lauf der Sonne abhängig war und seinen Tag nur bedingt durch künstliche Lichtquellen verlängern konnte. Dabei war das „Ablesen“ der Zeit schon länger bekannt. Sonnenuhren bzw. Schattenuhren entstanden im Alten Ägypten möglicherweise schon rund 1000 Jahre vor Aristoteles. Es wurden verschiedene Systeme für unterschiedliche Jahreszeiten verwendet, damit vergleichbare Zeiteinheiten geschaffen werden konnten. Es entwickelten sich Wasseruhren, welche die Unterschiede der Jahreszeiten ausglichen. Im antiken Griechenland wurden diese κλεψύδρα (Klepsydra) genannt, Platon entwickelte sogar eine Wasseruhr mit Weckfunktion.

Der Kirchenvater Augustinus (ca. 400 n. Chr.) beschrieb in seinen Confessiones (Bekenntnisse) die Zeit erstmals als etwas, das philosophisch abstrakt sowie auch physikalisch exakt zu erfassen sei, letztes unter Zuhilfenahme von Zeitmessgeräten. Augustinus reflektierte als Theologe die Zeit bezogen auf die Perspektive der Ewigkeit und erklärte, dass die Vergangenheit die Erinnerung der Gegenwart und die Zukunft die Erwartung der Gegenwart sei. Es gäbe zum Empfinden der Zeit lediglich ein Nacheinander, eine Abfolge der Zeit. Bezogen auf Aristoteles sah er die Bewegung im Raum (also Zeit und Raum miteinander verbunden) als entscheidende Komponente, die sich durch den Schöpfungsakt konstituiert habe. Während für Gott alles gegenwärtig sei, würde Zeit vielmehr im menschlichen Bewusstsein (Zeitwahrnehmung) „geschehen“.

Dass Raum und Zeit nicht zu trennen sind, war auch ein Gedanke, der den Physiker und Relativitätstheoretiker Albert Einstein (1879-1955) nicht losließ. Auf die Frage, was Zeit sei, soll er so geantwortet haben: „Zeit ist das, was man an der Uhr abliest“. Zwar hatte im frühen 18. Jahrhundert der Physiker Isaac Newton die Zeit zu etwas Absolutem erklärt, doch Einstein wollte die Zeit vielmehr als etwas Relatives begreifen. Für Einstein lag der Anbeginn der Zeit im Urknall; dies sei nur subjektiv erlebbar, dennoch aber messbar. Durch extrem hohe Geschwindigkeiten würde sich auch die Zeit ändern, somit sei die Zeit nicht überall im Universum gleich, wie Newton proklamiert hatte und auch Experimente mit Atomuhren an unterschiedlichen Orten deutlich machen.

Es wird deutlich, dass eine Definition, von dem was Zeit ist, nicht ohne weiteres möglich ist. Der Duden definiert in seiner Online-Ausgabe Zeit wie folgt:

Ablauf, Nacheinander, Aufeinanderfolge der Augenblicke, Stunden, Tage, Wochen, Jahre – ohne Plural

Dass Einstein allerdings die Zeitmessung zur Definition heranzog, lässt sich damit erklären, dass es für das subjektive Zeitempfinden immer noch keine abschließenden Erklärungsmodelle gibt, da die erlebte Zeit unterschiedlich schnell verläuft (subjektives Zeitempfinden). Das Zeiterleben ist stark von unserem Gehirn und unserer Wahrnehmung abhängig.

Wie nutzen wir Menschen unsere Zeit und was wird einem geraten?

Als „acht häufige Zeitfresser“ werden auf einem Onlineportal für sogenanntes Zeitmanagement verschiedene Faktoren angesprochen. So sei die „Smartphone-Nutzung“, im Ergebnis diverser Studien, der „ultimative Zeitfresser“, am besten solle man es immer mal wieder ausschalten und auch „Soziale Medien“, die „absolute Zeitdiebe“ wären, links liegen lassen, da sie „dafür entworfen“ wurden „einen möglichst lange an den Bildschirm zu fesseln“. Ebenfalls werden Fernsehen und Videostreaming-Dienste (wie YouTube oder Netflix) als Zeitfresser aufgeführt – aber auch „übermäßiger Small Talk mit Kollegen“. Nicht zuletzt wird auch die „Unordnung“ angesprochen, welche die Motivation nehme und somit viel Zeit koste, auch führe „Schlafmangel“ dazu, die Wachzeit nicht optimal nutzen zu können, ebenfalls übertriebener Perfektionismus oder der Wunsch, verschiedene Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, was die Qualität der Arbeit verschlechtere. Die Psychologin Friederike Gerstenberg befand in einem Interview mit ZEIT Campus ONLINE, dass jemand überlastet sei, der sich freue, wenn ein Freund kurzfristig absage. Zumeist würden Menschen in erster Linie unterschätzen, wie viel Zeit sie für sich selbst benötigen. Ihrer Ansicht nach ginge es darum, sich selbst besser kennenzulernen. Manche würden zum Beispiel nach einer Dienstreise einen Tag für die Regeneration benötigen – was häufig nicht bedacht werden würde.

Es gibt viele Methoden, wie man positiv auf die Gestaltung seiner Lebenszeit einwirken kann. Die Stichwörter sind hier zumeist Zeit- und Selbstmanagement. Es gibt verschiedene Methoden zum Zeitmanagement. Viele dieser Schritte sind im Internet frei abrufbar und gehören in jedem Karriereblog zum guten Ton. Zum Beispiel wird geraten, eine Tabelle mit vier Kategorien anzulegen, die erlaubt, bestimmte Aufgaben als „wichtig“ und „unwichtig“ (Spalten) sowie als „eilig“ und „nicht eilig“ (Zeilen) zu definieren und sie je nach Kategorie zu „erledigen“, zu „delegieren“, zu „terminieren“ oder abzulegen. Ebenfalls wird empfohlen, sich nur auf eine Aufgabe zu konzentrieren und nicht vieles parallel abzuarbeiten und diese eine Aufgabe dann in kleinere „Meilensteine“ zu untereilen. Ebenfalls solle die Zeit im Voraus geplant und priorisiert werden, wichtiges solle schnell begonnen werden, damit man nicht prokrastiniere. Hilfreich sei hier die 40-30-20-10-Regel, wonach 40 Prozent der Zeit für die „wichtigsten Aufgabe[n]“ reserviert sei und je nach Wichtigkeit/Dringlichkeit weniger Zeit reserviert werden würde („10% der Zeit widmen sie den restlichen Aufgaben“). Wichtig sei zudem, Zeitweise auf Social Media und so weiter zu verzichten und sich Routinen zu erarbeiten, etwa 15 Minuten am Tag E-Mails zu bearbeiten und sich dann für zwei Stunden ungestört einem Projekt zu widmen. Hier könnten ToDo-Listen oder Kalender weiterhelfen. Doch wozu das alles? Um noch mehr zu leisten, um noch mehr in der wenigen Lebenszeit zu schaffen?

Wie möchte ich meine Zeit nutzen?

Bei der Geburt im Jahr 2020 belief sich die durchschnittliche Lebenserwartung eines Mannes in Deutschland auf 78,9 Jahre, für Frauen nebenbei auf 83,6 Jahre. Dies entspricht
Sekunden: 2.491.344.000 
Minuten: 41.522.400
Stunden: 692.040
Tage: 28.835
Jahre: 79

Ich bin jetzt 35 Jahre alt. Das bedeutet, wenn mein Leben mit 79 Jahren endet, hätte ich noch ungefähr
Sekunden: 1.387.584.000
Minuten: 23.126.400
Stunden: 385.440
Tage: 16.060
Oder eben 44 Jahre zu leben.

Es stellt sich mir also die Frage: Wie teile ich mir meine Zeit ein?

Der 24-zöllige Maßstab hilft uns Freimaurern die Zeit mit Weisheit einzuteilen. Doch die Auslegung von Weisheit ist subjektiv. In einigen Bereichen sehe ich nach wie vor die Notwendigkeit, dass ich im Job durch eine bessere Zeitplanung sicherlich mehr leisten könnte. Übergeordnet im Leben denke ich aber, dass es eine Frage der Prioritätensetzung im Leben ist. Derzeit widme ich sehr viel meiner Lebenszeit, dem Unternehmen und dessen Weiterentwicklung. Hierbei habe ich viele Ziele und Pläne. Aber es stellt sich mir natürlich die grundsätzliche Frage:

Wozu etwa 80 Jahre leben und Ereignis an Ereignis aneinanderreihen? Wozu ausgeklügelte Methoden verwenden, um die Zeit, die letztlich doch ein subjektives Empfinden ist, noch effektiver zu gestalten, da klar ist, die Zeit fließt und kein Moment kommt mehr zurück? Wozu? 

Natürlich werde ich auch weiterhin viel Zeit für meine Arbeit einsetzen! Neben Arbeit und Firma sollte es allerdings aus meiner Sicht auch andere Dinge geben, mit denen ich mich beschäftigen sollte und denen ich meine Zeit widme. Neben vielen, aus meiner Sicht unnützlichen Ratgebern und Blogs, fand ich einen Artikel, der auf meine Bedürfnisse passte und worin ich einen Sinn erkennen konnte. Der Ansatz des Artikels ist, Lebenszeit in die eigene persönliche Entwicklung zu investieren. Die persönliche Entwicklung, so der Artikel, helfe in einigen Dingen:

  • Selbsterkennung:
    Die Erkennung seiner selbst
    Es hilft einem zu erkennen, was man im Leben wirklich möchte oder nicht möchte. Es lebt sich erfüllter, wenn man weiß in welche Richtung man im Leben steuern möchte und was die wirklichen Ziele und Prioritäten sind.
    Weiterhin ermöglicht es einem selbst zu erkennen, was man braucht oder nicht braucht. Es geht weiterhin um Fragen: Wie viel Anerkennung ist einem wichtig? Und wann hat man genug materiellen Besitz? Man kann dies nur herausfinden wenn man Zeit in sich selber investiert.

  • Zeitgewinnung:
    Sofern man sich auf das persönliche Wachstum fokussiert, beschäftigt man sich nicht mit anderen Dingen, die einen eventuell nicht weiterführen oder einen sogar einen selbst auf Abwege führen. 

  • Unbegrenztes Wachstum:
    Wir haben niemals ausgelernt und wenn es richtig ist, dann sind wir niemals perfekt oder vollendet.

  • Schneller Wirkungseintritt:
    Üblicherweise muss man zunächst Dinge tun, bevor man das Ziel erreicht hat. Beispiel: Geld verdienen und dann investieren (Investition) um eine Rendite zu erzielen (Nutzen) oder ein Haus zu erwerben (Investition) um darin zu wohnen (Nutzen). Hierbei ist es allerdings anders, denn bei der persönlichen Entwicklung zieht man ohne Investition direkten den Nutzen, hier heißt es „der Weg ist das Ziel“ (Konfuzius).

  • Persönliche Unabhängigkeit:
    Persönliches Wachstum kann jederzeit erfolgen und man ist hierbei nicht auf Dritte angewiesen. Man geht sein eigenes Tempo.

  • Jeder kann sich weiterentwickeln:
    Unabhängig des Alters oder der Lebenssituation, kann jeder Mensch sich weiterentwickeln. Hierin könnte man einen Lebenssinn erkennen. Jeder kann persönlich wachsen!

  • Dauerhaft bleibend:
    Im Vergleich zu materiellen Gütern, kann man die investierte Lebenszeit in die eigene Weiterentwicklung niemals verlieren.

  • Ausgeglichenheit & Zufriedenheit:
    Durch die persönliche Entwicklung und ein besseres Eigenverständnis, gelingt es einem besser auch andere zu verstehen. Dadurch, dass man sich selber besser kennt und im Leben genauer weiß, was man möchte, wird man selber zufriedener und glücklicher. Dies führt zu mehr Ausgeglichenheit und einem glücklicheren und erfüllteren Leben.

Wir Freimaurer arbeiten am rau(h)en Stein und sofern wir es richtig machen, legen wir unsere Werkzeuge unser Leben lang nicht aus der Hand. Daher finde ich es sehr passend den Fokus seiner eigenen Zeiteinteilung auf die persönliche Entwicklung zu legen.

Neben meinem eigenen Vorhaben mehr Zeit in die eigene persönliche Entwicklung zu investieren, möchte ich zudem meine Zeit mehr mit Leben füllen, mit dem Leben der Menschen, die mir am Herzen liegen.

Ehrwürdiger Meister,
würdige und geliebte Brüder,
liebe Gäste,
meine Zeichnung hat ca. 20 Minuten betragen, ich danke allen für die Aufmerksamkeit und möchte nun gerne über dieses Thema eine offene Diskussion anfangen.