Der 24-zöllige Maßstab und die Zeit oder kann man die Zeit „Totschlagen“?
„Die Zeit die Zeit ist ganz schön dreist
In einem Anflug von Unsterblichkeit.
Die Uhr kennt keine Gnade
Wo ist die Zeit die ich nicht habe“
(Aus dem Lied der „W“)
Die Zeit ist sicherlich eines der kostbarsten Güter, welche die Menschen haben. „Zeit haben“ und „Frei-Zeit“ brauchen wir Menschen zum Entspannen und Auftanken, können dieses Gut nur bedingt kaufen. Dennoch brauchen wir Menschen gerade einen sinnvollen Ausgleich zum Alltag, um uns zu generieren und Kraft zu schöpfen.
Oftmals vergeht die Zeit „wie im Fluge“, wenn wir schöne und kreative Momente erleben. Aber es gibt auch Momente, in denen sich die Zeit zäh zieht, wenn wir z.B. etwas als langweilig empfinden. Die Wahrnehmung von Zeit ist somit für jeden Menschen individuell unterschiedlich. Dennoch haben wir eine Maßeinheit geschaffen und teilen unseren Tag in 24 Stunden auf. Zumindest haben wir dann einen Richtwert und sprechen alle von der „gleichen Zeit“.
Häufig empfinden wir es „keine Zeit zu haben“, wenn viele Eindrücke und Aufgaben auf uns zukommen und wir versuchen alles nach bestem Gewissen erledigen zu wollen. Langeweile ist wiederum eine Form der zeitlichen Wahrnehmung, in der wir meinen, uns nicht beschäftigen zu können oder nichts wesentlich Sinnvolles mit unserer Zeit anfangen zu können.
Aber ist dies wirklich so? Können wir uns nicht eine zeitliche Einteilung schaffen, welche uns hilft, unsere Tage zu regeln und die uns verbleibende Zeit effektiv zu nutzen?
Wie definieren wir Zeit?
Betrachten wir nun einmal die Zeit aus der wissenschaftlichen Perspektive.
Wikipedia definiert dazu: Die Zeit ist eine physikalische Größe.
Die Zeit beschreibt die Abfolge von Ereignissen, hat also eine eindeutige, nicht umkehrbare Richtung. Mit Hilfe der physikalischen Prinzipien der Thermodynamik kann diese Richtung als Zunahme der Entropie, d. h. der Unordnung in einem abgeschlossenen System, bestimmt werden. Aus einer philosophischen Perspektive beschreibt die Zeit das Fortschreiten der Gegenwart von der Vergangenheit kommend und zur Zukunft hinführend. Nach der Relativitätstheorie bildet die Zeit mit dem Raum eine vierdimensionale Raumzeit, in der die Zeit die Rolle einer Dimension einnimmt. Dabei ist der Begriff der Gegenwart nur in einem einzigen Punkt definierbar, während andere Punkte der Raumzeit, die weder in der Vergangenheit noch der Zukunft dieses Punkts liegen, als „raumartig getrennt“ von diesem Punkt bezeichnet werden.
Die wohl markanteste Eigenschaft der Zeit scheint somit der Umstand, dass stets eine aktuelle und ausgezeichnete Stelle vorhanden zu sein scheint, die wir als Gegenwart bezeichnen und die sich unaufhaltsam von der Vergangenheit in die Zukunft zu bewegen scheint. Dieses wird auch als das „Fließen der Zeit“ bezeichnet. Des Weiteren stelle ich mir die Frage: Wie ist der Mensch je darauf gekommen, eine Zeiteinteilung vorzunehmen? Meine Betrachtung dazu ist wie folgt:
Reisen wir einmal zurück in die Zeit, als sich der humanoide Menschenstamm von dem des Affen trennte, also als das Leben vorwiegend wohl auf den Bäumen stattfand und wir erst unseren Zweifüßlergang übten.
Die Hochproteine, die unten auf dem Boden in Form von Aas für uns bereit lagen und die unsere Hirne und unser Bewusstsein wachsen ließen, wurden von anderen Tieren liegen gelassen. Wir waren gezwungen, uns diese Nahrung schnell anzueignen, damit wir nicht selbst Opfer der Raubtiere wurden.
Diese Nahrungsbeschaffung (warum wir auch immer auf die Idee kamen Aas zu uns zu nehmen) musste also sehenden Auges stattfinden.
Im Gegensatz zu vielen Raubtierarten haben wir in der Dunkelheit jedoch ein eingeschränktes Sehvermögen, so dass es für uns vermutlich erfolgreicher war, dies im Hellen zu tätigen. Also war für uns immer schon die Tagzeit die Wachzeit und die Nachtzeit in der Dunkelheit eine Zeit, in der wir uns langweilten oder ausruhten und schliefen. So mussten wir uns also die Zeit einteilen.
Welcher Mensch nun als erstes einen Stock in die Erde steckte und den Sonnenlauf beobachtete und eine Einteilung des Tags vornahm, ist nicht gesichert, aber es hat anscheinend stattgefunden.
Das Feuer und die nachfolgenden Erfindungen haben dann eine weitere Entwicklung in Gang gesetzt, damit wir die Zeit ausdehnen und besser nutzen konnten.
Da wir auf der Erde die stabilste Zeit von annähernd 12 Stunden Tageszeit zu 12 Stunden Nachtzeit auf der Äquatorlinie haben, muss diese Einteilung auch aus dieser Richtung kommen…
Die Neigung unseres Planeten und die elliptische Bahn zur Sonne hat zur Folge, dass wir zur selben Zeit an unterschiedlichen Orten andere Kontraste haben.
Da ist für uns moderne Menschen eine Zeiteinteilung doch sehr sinnvoll ,um zur selben Zeit miteinander agieren zu können.
Da sich Zeit als schlecht fassbare Größe darstellt, ergaben sich viele philosophische Betrachtungen, die die Menschen seit der Antike bewegten:
Die Flussbilder des Heraklit, die vom gleichbleibenden Flussbett symbolisiert werden, in dem aber Alles fließt, stehen als Metapher für die Zeit. Unwandelbare periodische Übergänge von der Nacht zum Tag, also die Beständigkeit des Flusslaufs und die Dynamik seines Fließens, stehen als die Einheit der Gegensätze.
Für Platon haben Raum und Zeit keine Wesenheit, sondern sind nur bewegte Abbilder des eigentlich Seienden. Für Aristoteles ist der Zeitbegriff untrennbar an Veränderungen gebunden. Zeit ist das Maß jeder Bewegung und kann nur durch diese gemessen werden. Sie lässt sich unendlich einteilen.
Augustinus unterscheidet erstmals zwischen einer physikalisch exakten (messbaren) und einer subjektiven, erlebnisbezogenen Zeit. Zeit und Raum entstanden erst durch Gottes Schöpfung, für den alles eine Gegenwart ist. Das Geheimnis der Zeit fasst Augustinus in folgendem Ausspruch zusammen:
„Was also ist ‚Zeit‘? Wenn mich niemand danach fragt, weiß ich es; will ich es einem Fragenden erklären, weiß ich es nicht.“
(Confessiones XI, 14)
Der römische Philosoph Seneca sagt uns: „Es ist nicht zu wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist zu viel Zeit, die wir nicht nutzen!“
Für Isaac Newton bilden Zeit und Raum die „Behälter“ für Ereignisse, die für Ihn ebenso real sind wie gegenständliche Objekte: „Zeit ist und Sie tickt gleichmäßig von Moment zu Moment.“ In der Naturphilosophie dominiert Newtons Auffassung, weil sie ermöglicht Zeit und Raum unabhängig von einem Bezugspunkt oder des Beobachters zu beschreiben.
Nach Immanuel Kant ist die Zeit ebenso wie der Raum eine „reine Anschauungsform“ des inneren Sinnes. Sie seien unser Zugang zur Welt, gehörten also zu den subjektiv-menschlichen Bedingungen der Welterkenntnis, in deren Form das menschliche Bewusstsein die Sinneseindrücke erlebt.
Kant schreibt ihr jedoch eine empirische Qualität für Zeitmessungen und entfernte Ereignisse zu. Wir können die Zeit aus unserer Erfahrung nicht wegdenken und auch nicht erkennen, ob sie einer – wie auch immer gearteten – Welt an sich zukommt. In ähnlicher Weise beschreibt Martin Heideggers Hauptwerk Sein und Zeit letztere als eine Wirklichkeit, die das Menschsein zutiefst prägt. (Quelle: Wikipedia)
Wie kann uns nun die Freimaurerei eine Definition von Zeit liefern und wie kann dies wiederum jedem Bruder dienen?
Der Freimaurer muss bereits als Lehrling lernen, wie er sich den Tag richtig einteilt.
Hierzu dient Ihm das Sinnbild des 24 zölligen Maßstabs. Das Sinnbild des Maßstabs tauchte zum ersten Mal im Edinburgh Register House Manuskript von 1696 auf. Dieses vollständig erhaltene Fragebuch der Freimaurerei erklärt dem jüngst aufgenommenen Lehrling beim Betreten der Loge „as I am sworn by God and St. John, by the Square and compass an common judge (auch „gauge“ ein Eichmaß) genannt. Zu Deutsch: Der ich bei Gott und dem heiligem Johannes, beim Winkelmaß und beim Zirkel und beim Maßstab geschworen habe.
Zu beachten gilt jedoch, dass es sich hierbei zuerst um einen Maßstab handelte, auf dessen Rückseite ein Profil eines zu meißelnden Steins aufgebracht wurde. Er war somit ein allgemeiner Maßstab, der Sinnbild für eine gute Arbeit war. Erst ab 1760 finden sich hinweise auf den 24 zölligen Maßstab wieder, wie er heute noch als Instrument des Lehrlings geläufig ist.
In den Unterweisungen im Lehrlingsgrad der Großloge der Alten Freien und Angenommenen Maurer von Deutschland, wie ich es bei meinen Recherchen gefunden habe heißt es:
Der quer liegende 24-zöllige Maßstab versperrt den Weg vom sittlichen mittleren zum transzendenten oberen Drittel des Arbeitsteppichs. Er gemahnt uns, unsere Zeit, die 24 Stunden des Tages und unsere Lebensfrist, richtig einzuteilen. Der Weg ins oberste Drittel ist nur dem vorbehalten, der den Wert der Zeit erkannt hat und mit ihr umgehen kann.
Nicht alle Menschen haben das gleiche Maß und das gleiche Zeitmaß. Weise ist unsere Einteilung der Zeit, wenn sie es uns ermöglicht, ständig an unserer Vervollkommnung zu arbeiten. Gelingt uns die Einteilung unserer Zeit nicht, so ist an dieser Stelle unser Weg zu Ende. Gelingt es uns aber, auch diese Grenze zu überschreiten, so sehen wir uns den Symbolen der geistigen Welt gegenüber.
Des Weiteren heißt es im Katechismus der Lehrlinge zum 24-zölligen Maßstab:
…man soll bestrebt sein, seine Zeit mit Weisheit einzuteilen. Die Zahl 24 weist dabei auf die 24 Stunden des Tages hin, die der Maurer sich sinnvoll einteilen soll.
Laut Katechismus sieht die Einteilung folgendermaßen aus:
- 6 Stunden zur Arbeit am Bau
- 6 Stunden um einem Bruder oder Freund zu dienen soweit es in seinen Kräften steht
- 6 Stunden um Gott zu dienen
- 6 Stunden für den Schlaf
Diese klare Zeiteinteilung lässt sich in der heutigen Zeit nicht mehr so umsetzen. Es lassen sich gewerkschaftlich ausgehandelte Arbeitszeiten nicht umgehen und wer heute weniger als 8 Stunden mit seiner Arbeit zubringt, gefährdet unter Umständen sogar den Arbeitsplatz. Heutzutage ist die Umsetzung dieses Lehrlingswerkzeugs schlichtweg unmöglich.
Inhaltlich jedoch ist eine solche Einteilung doch nicht allzu falsch. Die jedem Menschen zustehende Zeit, sei es nun Stunde, Tag, Monat, Jahr oder Lebenszeit, soll bewusst, sinnvoll und weise eingeteilt werden, um ein erfülltes Leben zu verwirklichen. Die genaue zeitliche Gliederung ist nicht die Kernaussage des 24 zölligen Maßstabs, sondern eine ausgewogene Grundstruktur, die die uns zur Verfügung stehende Zeit sinnvoll gliedert.
Wie kann der moderne Freimaurer seine Zeit also sinnvoll aufteilen?
Ich teile meine Tageszeit in vier wesentliche Blöcke ein:
- Arbeit
- Befriedigung sozialer Bedürfnisse
- Erholung und Regeneration
- Spiritualität
Arbeit ist ein wichtiger Teil in unserem Leben.
Für die einen ist es Pflicht, für den anderen Freude und Erfüllung. Sie gibt uns Struktur, fördert Lernen und Fähigkeiten und ermöglicht uns in Augenhöhe mit anderen am gesellschaftlichen Leben teilzunehmen. Bei der Arbeitslosigkeit geht erheblich mehr verloren als nur materielle Werte.
Die Befriedigung sozialer Bedürfnisse ist ein weiterer wesentlicher Teil unseres Lebens.
Sie dienen nicht nur dem Austausch, der Begegnung und der Kommunikation untereinander, es wird auch gemeinsam erlebt und schafft damit auch Nähe und Intimität auch zueinander. Indem wir füreinander da sind und uns gegenseitig helfen und beiseite stehen, geben wir der Gesellschaft etwas zurück und sind Vorbild. Wir selbst sind angewiesen auf Menschlichkeit, Verständnis, Brüderlichkeit und Liebe.
Jedes Individuum hat seinen eigenen Schlafrhythmus.
Während der eine locker mit 5 Stunden Schlaf auskommt, schläft der andere regelmäßig 7 bis 8 Stunden. Hobby und Freizeitaktivitäten, eine ausgewogene Ernährung sowie Urlaube sind wichtig, um die Anforderungen des Lebens langfristig zu erfüllen und sich physisch wie psychisch in guter Form zu halten.
Wer sich Zeit für Spiritualität nimmt und sich mit Neugierde auf die wichtigen Fragen des Lebens stürzt, wird Antworten finden, die weiterhelfen, das Leben sinnvoll zu gestalten.
Viele finden in Religionen Zuflucht und einige „Freigeister“ mit Glück auch evtl. in der Freimaurerei. Wer sich mit dem Satz „Erkenne Dich selbst“ und mit den Begriffen Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit auseinandersetzt, der begreift viel über die Zusammenhänge des Lebens als manch anderer. Es kann die Nahrung für die Seele und den Geist sein. Der Nährboden für eine humanistische, also menschliche Lebenseinstellung, kann in dieser Einstellung wurzeln und sich entfalten.
Die Aufteilung dieser vier Bereiche sollte ein jeder für sich einteilen, der 24 zöllige Maßstab kann ein gutes Hilfsmittel hierzu sein.
Es sollte jedoch jedem selbst überlassen sein, seine Zeit sinnvoll und weise einzuteilen, um ein glückliches und erfolgreiches Leben führen zu können.
Im Ritual als auch zu unseren gemeinschaftlichen Arbeiten ruft uns der Meister zur Arbeit. Diesem Aufruf kommen wir Maurer nach und nehmen unsere gemeinsamen Arbeiten auf. Der 24 zöllige Maßstab als Lehrlingswerkzeug soll uns ermahnen und erinnern, dass wir zum einen die Arbeit an uns selbst aufnehmen und zum anderen auch an der Arbeit der Gemeinschaft und unserer Loge sowie den Fragen nach unserer Bestimmung nachkommen. Das Erlebnis der Gemeinschaft ist ein wichtiger Bestandteil in der Loge.
Wenn wir den Umgang mit dem richtigen Maßstab erlernt haben, können wir uns an diese Tugend des Maurers zurückbesinnen und uns der Zeit und der vor allem sinnvollen Einteilung dieses wichtigen und teuren Gutes widmen.
Fazit:
Der Freimaurer muss den Umgang mit der Zeit für sich selbst finden. Gerade in dieser hektischen und kurzlebigen Zeit muss ein jeder lernen, auch mal stehenzubleiben und sich umzuschauen. Auch Langeweile ist Zeit, die wertvoll ist und erlebt werden kann. Jeder muss für sich den passenden Ausgleich schaffen um nicht in Gefahr von Burnouts oder anderen Zeitfressenden Problemen zu kommen. Wie ein jeder es für sich umsetzt, liegt an jedem selbst. Das Werkzeug dazu haben wir bekommen, umsetzen muss es jeder für sich selbst.