Anmerkungen zum „Salomonischen Tempelbau“

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In einem Freimaurerritual aus dem frühen 19. Jahrhundert ist die Rede von Hiram, der von seinen Bauarbeitern aus aller Herren Länder umgeben ist, und die auf ein Zeichen von ihm herankommen. Auf ein weiteres Zeichen wenden sie sich ihm zu. Dann hebt er den rechten Arm und zeichnet mit der offenen Hand eine horizontale Linie, um sie daraufhin etwa von der Mitte fallen zu lassen, wodurch sich zwei rechte Winkel bilden, die zusammen ein Tau-Zeichen ergeben. Nun wird die Menschenmenge unruhig, als hätte ein stürmischer Windstoß sie durchfahren. Tausende verteilen sich, erst grüppchen-, zuletzt legionweise, bis Meister, Gesellen und Lehrlinge gesondert voneinander warten (HMG S. 301).
Nimmt man diesen rituell berichteten Vorgang der Machtausübung als reales Geschehen an, welches dem König Salomo dann nicht verborgen geblieben sein dürfte, so ergeben sich unter Berücksichtigung der von der Bibel berichteten Einzelheiten einige sehr interessante Überlegungen zum Salomonischen Tempelbau:
Macht, Herrschaft, Herrschende und BeherrschteDer Begriff Macht wird umgangssprachlich oft undifferenziert synonym mit „Stärke“ und „Gewalt“ gebraucht, philosophisch das Vermögen, das Mögliche wirklich zu machen, den eigenen Willen auch gegen den Willen anderer durchzusetzen (MKLP). Macht als soziale Erscheinung bedeutet materielle und (oder) geistige Herrschaft von Menschen über Menschen (PWVEB). Während die Macht im allgemeinen Sinne jedes soziale Verhältnis bezeichnet, in dem bestimmte Personen die Chance haben, bei anderen Gehorsam zu finden, bedeutet Herrschaft institutionalisierte Machtausübung, die zur Differenzierung einer Gesellschaft in Herrschende und Beherrschte führt (FLSo). Unter Menschen ermißt sich jede Macht daran, was sie an Werten oder Unwerten zu verwirklichen strebt (WPB).Entwicklung der gesellschaftlichen Struktur bis zum TempelbauIn den ältesten Ballungszonen bildete sich die gesellschaftliche Mitte um den Tempelbezirk. Die Stammeskultstätte, Sitz der Götter und Wohnung der Priester, war Zentrum der übernatürlichen Kräfte und später auch Ausgangspunkt der realen weltlichen Gewalten (ZuL S. 20).

Etwa im sechsten vorchristlichen Jahrtausend änderte sich die Art des menschlichen Zusammenlebens einschneidend. Durch Koalition von Priester- und Königssippen wurde der Stammesrat und die Volksversammlung als letzte „politische“ Entscheidungsinstanz ausgeschaltet und an deren Stelle die Alleinherrschaft mit absoluter Befehlsgewalt errichtet (Zul S.20). In den tempelstädtischen Anfängen wurde die Verwaltung personell zunächst von der Priesteraristokratie gestellt, die für die bei ihrer Tätigkeit anfallende Muskelarbeit Arbeitskräfte beschäftigte, während die Königsaristokratie Durchsetzung der staatlichen Maßnahmen, Erhaltung der inneren Ordnung und den äußeren Schutz des Staates militärisch garantierte (ZuL S. 22). Das legale und tatsächliche Gewaltmonopol in einer zentralen Hand ist bis auf den heutigen Tag eines der bestimmenden Merkmale jeder staatlichen Ordnung (ZuL S. 20).

Aus der Seßhaftigkeit folgt: Die Mitgliedschaft im Gemeinwesen leitet sich nicht mehr primär von der personalen Verwandschaftsbeziehung zum Stamm ab, sondern von der sachlichen „Zuge-Hörigkeit“ zum geographisch begrenzten Machtbereich des Tempels (ZuL S. 20). Entsprechend führte Salomo eine neue Verwaltungsaufteilung des Reiches in Provinzen durch (1. Könige 4,7-20), wobei die alte Stammeseinteilung bewußt durchbrochen wurde. Ägypter und in Ägypten ausgebildete Beamte halfen bei der Organisation des jungen Königreiches (KBB S. 92). In wenigen Jahrzehnten mußte sich so das Landvolk Israels mit einer Fülle von Einflüssen auseinandersetzen, die teilweise aus Ägypten kamen, teilweise kanaanäischen Ursprungs waren (KBB S.91).

König Salomo und der Umbruch der Verwaltungsstruktur

Salomo wurde in Jerusalem als Sohn Davids und Bath-Sebas geboren (2. Samuel 12,24f) und war König über das Gesamtreich Israel-Juda 965/64-926/25 v. u. Z..

Unter Salomo erreichte der königliche Absolutismus in Israel-Juda seinen einzigartigen Höhepunkt. Die Stämme und deren Vertreter wurden aus der Politik ausgeschaltet: Das israelitische Staatsgebilde teilte er in 12 Provinzen unter Leitung je eines Provinzialpräsidenten, wobei kanaanäische und israelitische Gebiete teilweise verschmolzen wurden. Jede der zwölf Provinzen hatte jährlich einen Monat lang für die Versorgung des königlichen Hofes aufzukommen.

Salomo hat nach der alttestamentlichen Überlieferung keine Kriege geführt. Da er als neue Waffengattung die mit Rossen bespannten Streitwagen einführte, trat in Israel der Wagenkämpfer hervor, der längerer Ausbildung und ständiger Übung bedurfte, der sich gegenüber dem Kämpfer des Volksaufgebots nicht selbst ausrüsten und verpflegen konnte, sondern als Söldner im Dienst des Königs stand. Diese stehende Truppe erforderte für ihre Stationierung die erwähnten Garnisonstädte, die neben die Provinzialhauptstädte traten, welche politisch von den Stämmen und deren Vertretern völlig unabhängig waren (1. Könige 10,26).

Im Mittelpunkt der Berichte über Salomo steht der Tempelbau in Jerusalem (1. Könige 5,15 bis 6,38; 7,13-51). In Jerusalem entstanden weiterhin das Libanon-Waldhaus als Zeughaus, die Säulenhalle als Warteraum, der königliche Palast und das Palais für die Hauptfrau des Herrschers (1. Könige 7,1-8). Magazinstädte wurden für die Ablieferung der Naturalabgaben aus den Bezirken und befestigte Garnisonstädte für die Streitwagen erbaut (1. Könige 9,17-19).

Für seine Bauten war Salomo auf die Einfuhr von Hölzern und Edelmetallen angewiesen. Diesem Zweck diente ein Handelsvertrag mit Tyrus. Salomo verdiente am Zwischenhandel mit Rossen und Streitwagen zwischen Ägypten und Nordsyrien-Kilikien (1. Könige 10,28f). Südlich des Toten Meeres und in Ezjon-Geber betrieb der König Kupferminen und Schmelzhütten. Die arabische Königin von Saba dürfte in erster Linie um der Handelsinteressen willen nach Jerusalem gekommen sein (1. Könige 10,1ff) (CBL S. 1161).

Trotz seiner hervorragenden Begabungen hat Salomo die Kräfte Israels und Judas übermäßig beansprucht, so daß es zu Aufständen unter den Angehörigen des Hauses Joseph (Ephraim-Manasse) unter Führung Jerobeams kam. Auch war die Priesterschaft gegen ihn, weil er die Vielgötterei förderte; Bauern und Handwerker haßten ihn, weil er sie mit Steuern und Fronarbeit auspreßte. Seine Statthalter waren selbstherrlich geworden, füllten ihre eigenen Taschen oder stellten sich gegen ihn; die Armee, Jahrzehnte ohne Kriege, führte als Staat im Staat ein Drohnendasein. Schließlich fielen die Nachbarstaaten von ihm ab, als sie merkten, daß sein Reich äußerlich groß, innerlich aber nicht gefestigt war (WWIBS S. 169).

In unserer Erinnerung hat Salomo vor allem als einer der bedeutendsten Bauherren der Geschichte überlebt, der mit dem Tempelbau ein Symbol schuf, dessen geistige Kraft die Jahrhunderte überdauert. Salomos gesamte Außen-, Handels- und Innenpolitik stand unter dem Gesichtspunkt, wie dieses „große Werk“ technisch und finanziell zu verwirklichen sei. Bereits David plante den Bau eines Gotteshauses als religiöse Mitte im Zentrum der politischen Macht, der Hauptstadt Jerusalem. Er beabsichtigte damit den „Stammesseparatismus“ zu unterdrücken, der mit dem Kult in den alten „Provinz“-Heiligtümern wie Gibeon, Hebron, Silo und Bethel verbunden war. Aber auch nach der Fertigstellung des Tempels blieben die kanaanitischen Höhenheiligtümer bestehen. Obwohl durch die Aufstellung der Gotteslade der „Salomonische Tempel“ zu einem allisraelitischen Heiligtum gemacht wurde (1. Könige 8), sollte er seine singuläre Bedeutung erst im späteren Verlauf der Geschichte erhalten (KS S. 193).

König Hiram, ein Bewunderer König Salomos

Der phönizische König Hiram in Tyrus war Zeitgenosse Davids und Salomos. Er regierte von 979/8-945/4 v. Chr. (nach Albright von 969-936 v. Chr.). Hebräisch Hiram bzw Hirom (1. Könige 5,15-32), griechisch H(e)iram oder Churam ist ein phönizischer Name, der wahrscheinlich Ahiram (4. Mose 26,38) entspricht oder eine Abkürzung davon ist und „mein Bruder ist erhaben“ bedeutet. Die Phönizier sind nichts anderes als die uns wohlbekannten Kanaaniter unter ihrem neuen griechischen Namen, der genau wie die Bezeichnung Kanaan „Purpurfarbe“ bedeutet, einer der wichtigsten kanaanitisch-phönizischen Exportartikel. Hiram befestigte die Insel Tyrus, auf der er Tempel zu Ehren von Astarte-Melkart bauen und die älteren Tempel ausschmücken ließ.

Hiram war ein großer Bewunderer Davids (1. Könige 5,15) und schickte Material und Handwerker zur Errichtung seines Palastes in Jerusalem (2. Samuel 5,11; 1. Chronik 14,1). Nach der Thronbesteigung Salomos sandte Hiram Botschafter, um erneut Kontakte zu knüpfen. Das Ergebnis war u.a. ein Handelsvertrag, nach dem Salomo Holz und Fachhandwerker für den Tempelbau in Jerusalem erhielt, der in Hirams elften bzw. im vierten Regierungsjahr Salomos begann (1. Könige 6,1). Als Gegenleistung bekam Hiram von Salomo u.a. jährlich Lieferungen an Weizen und Öl (1. Könige 5,25), woran es den phönizischen Städten mangelte. Diese Verträge, die zum wirtschaftlichen Vorteil beider Seiten konzipiert waren, wurden durch Handelstätigkeiten ergänzt.

Wie Clemens von Alexandria und Titian berichteten, wurde die Zweckfreundschaft durch die Heirat Salomos mit einer Tochter Hirams abgesichert; die Bibel erwähnt entsprechend, daß es unter seinen Frauen auch sidonische gab (1. Könige 11,1f). (BGB S. 581).

Die Bauleute und der Tempelbau

Für die Beschaffung von Baumaterial aus dem Libanon hob Salomo drei Arbeitsbrigaden von je 10000 Mann aus. Während eines Monats befand sich eine am Arbeitsort, eine auf Heimaturlaub und eine auf dem An- bzw. Abmarsch. Außerdem waren 70000 Lastträger, 80000 Steinhauer und 3300 Aufseher genannt (1. Könige 5,27-30). Von dem im Land „ansässigen Fremdlingen“ ließ er 70000 als Lastträger und 80000 als Steinhauer ausheben (1. Könige 5,29; 9,20,21; 2. Chronik 2,1). Als Oberaufseher, die die Arbeiten zu leiten hatten, bestellte Salomo 550 Mann und als Aufseher offenbar 3300 (1. Könige 5,30; 9,23). Anscheinend handelte es sich dabei um 250 Israeliten und 3600 in Israel „ansässige Fremdlinge“ (2. Chronik 2,17) (HVB 1450). Die Bauleute Salomos bearbeiteten mit den Bauleuten König Hirams aus Tyrus und den Gebalitern das Holz und die Steine und richteten sie für den Bau des Tempels. (1. Könige 5,32). (WWIBS S. 162).

Der Name Gebaliter kommt von der Stadt Gebal, eine kanaanäische und phönizische Hafenstadt, deren Ruinen bei Dschebel, 40 km nördlich von Beirut, liegen. Ihr Name, westsemitisch „gebal, akkadisch gubla, bedeutet „Hügel, Klippe“. Der griechische Name Byblos könnte durch Lautverschiebung g-b entstanden sein oder aber darauf zurückgehen, daß die Griechen hier erstmalig Papyrus (griechis Byblos) kennenlernten, der als Schreibmaterial aus Ägypten importiert und in Gebal verarbeitet wurde.(BGB S. 412).

Meister Hiram, der Architekt und die Kunstfertigkeit

Baumeister Hiram aus Tyrus war Sohn eines tyrischen Vaters und einer israelitischen Mutter. Als Ingenieur und Architekt hat er den Tempelbau Salomos geleitet und sicherlich auch bei anderen Bauten mitgewirkt (1. Könige 7,13ff; 2. Chronik 2,12f). (CBL S. 539).

Die Stadt Tyrus lag ursprünglich auf zwei Inseln, die nur durch einen schmalen Damm verbunden waren. Eine Vergrößerung der Stadt war daher nur nach oben möglich. In der Hafenstadt Tyrus wurden deshalb die ersten, bis zu sechs Stockwerke hohen Wolkenkratzer errichtet. Dies stellte besonders hohe Anforderungen an das Wissen und die Kunstfertigkeit der phönizischen Architekten. Ohne diese erfahrenen Architekten hätte Salomo nie seinen Tempel errichten können, dessen Bauzeit das 1. Buch der Könige mit sieben Jahren angibt. (WWIBS S. 162).

Allerdings hat die für diese Ingenieurs- und Architektenleistung so wichtige konstruktive Arbeit am Reißbrett mit Zirkel und Lineal als eine geistige Technik ihren tieferen Ursprung in der Teilung der Gesellschaft in Herrscher und Untertanen, wie sie sich im Gegensatz zu den Isreliten bei den Phöniziern bereits fest ausgebildet hatte. Sie geht unmittelbar von der durch hierarchische Machtverteilung bewirkten Verwaltungsproblemen des Staates (z.B. Landaufteilung) aus und nicht von technischen Erfordernissen der Güterherstellung (ZUL S. 29), die vielmehr die Entwicklung notwendiger Managementtechniken für eine umfangreiche Bauabwicklung gefördert haben.

Der israelitische Tempel mit phönizischem Vorbild

Wir wissen nicht, wie dieser Tempel ausgesehen hat, keine außerbiblischen zeitgenössischen Belege zeugen von ihm. Die Angaben über die Größe des Salomo-Tempels schwanken zwischen 50 mal 25 Metern und 27 mal 10 Metern. Auch seine Höhe wurde von verschiedenen Archäologen unterschiedlich berechnet. Vielleicht war er zwanzig, vielleicht auch nur zwölf Meter hoch. Die Verbindung Salomos mit Hiram von Tyrus legt es nahe, an eine kanaanitische Herkunft des Jerusalemer Typs zu denken. Kanaanitische Tempel zu Ehren Baals hat man gefunden. Einer von ihnen in Hazor könnte als Vorbild für Salomos Tempel gedient haben. Dieser Baal-Hadad-Tempel ist wesentlich älter als Salomos Tempel. Er wurde etwa 1300 v. Chr. errichtet. Sein Grundriß entspricht weitgehend den biblischen Angaben über den Tempel in Jerusalem. Er bestand ebenso aus drei Teilen – einer Vorhalle, einer Haupthalle und dem fensterlosen Allerheiligsten, in dem bei Salomos Tempel die Bundeslade stand und das allein der Hohepriester betreten durfte. (WWIBS S. 162).

Das Tor „ohne Zutritt“

Die babylonischen Tempel besaßen ein „Tor der aufgehenden Sonne“ und ein „Tor der untergehenden Sonne“. Der Traktat Erubin V-22c des jerusalemischen Talmud berichtet, daß auch der Tempel zu Jerusalem so angelegt war, daß an den beiden Tagundnachtgleichen die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne genau durch das östliche Tor schienen; dieses Tor wurde während des ganzen Jahres geschlossen gehalten und nur an diesen beiden Tagen ausschließlich für diesen Zweck geöffnet. Der erste Strahl der Äquinoktialsonne schien durch dieses Tor bis ins tiefste Innere des Tempels. Die Herbsttagundnachtgleiche wurde als Neujahrstag begangen. Eine Sonnenfeier an diesem Tage war alter Brauch. (WiZ Kap. 7, S. 283).

Das Geheimnis der beiden Säulen und das Licht vom Himmel

Zu beiden Seiten des Eingangs zur heiligen Stätte standen zwei verzierte kupferne Säulen (HIR S. 108); die eine hieß „Jakin“, die andere „Boas“ (1. Könige 7,15-22). (HVB S. 1450). Die Beschreibung im Alten Testament erwähnt sie eher bei der Einrichtung anstatt bei den architektonischen Elementen des Tempels.

Die Säulen und Kapitelle wurden von Hiram (1. Könige 7,13,14) in dem Gebiet zwischen Sukkot und Zaretan gegossen (1. Könige 7,46) und waren hohl (Jeremia 52,21). Die Säulen waren nach 1. Könige 7,15 18 Ellen hoch (ca 9 m) und hatten 12 Ellen Umfang (ca. 2 m Durchmesser). Der Chronist gibt die Höhe mit 35 Ellen (ca. 18 m) an (2. Chronik 3,15). Ihre Kapitelle waren 5 Ellen hoch (ca. 2,5m) (1. Könige 7,15,16). Das Kapitell war wie vier geöffnete, umgedrehte Lotusblüten gearbeitet, 4 Ellen breit, und darüber wie eine umgedrehte Schüssel. Diese Schüssel oder dieser Knauf war in einem Netzwerk gefaßt, das von zwei Reihen Granatäpfeln eingefaßt war (1. Könige 7,17-22,41,42; Jeremia 52,22,23). Als der Tempel zerstört wurde, sollen die Kapitelle nur noch 3 Ellen hoch gewesen sein (2. Könige 25,17); bisher wurde vermutet, daß diese Verkleinerung wahrscheinlich auf Umformungen in die Zeit zurückgeht, als Joasch (2. Könige 12,6ff) oder Josia (2. Könige 22,3ff) den Tempel renovierte (vgl. Jeremia 52,22f). Für das Einsetzen der Säulen in Fundamente und Kapitelle wird 1 Elle berechnet. (BGB S. 638) Die Gesamthöhe betrug also etwa 12-13 m (CBL S. 589).

Tempelprägungen auf griechischen und römischen Münzen Zyperns und Phöniziens sowie Beschreibungen von Herodot, Strabo und Lukian zeigen, daß Säulenpaare mindestens bis zum 2. Jahrhundert v. Chr. an Tempeleingängen aufgestellt wurden.(BGB S. 638). Doch ihre Bedeutung ist nicht klar. Man hat sie mit den Standarten am Tor der assyrischen Tempel verglichen, als Eingangs-Masseben gedeutet oder vermutet, daß sie eine kosmische Deutung erhalten, also als Abbild der Weltpfeiler (vgl. Hiob 26,11) gegolten hätten. Neuerdings hält man sie für große Leuchter oder Feueraltäre als Erinnerung an Wolken und Feuersäule während der Wanderung des Volkes Israel durch die Wüste (2. Mose 33.9; 5. Mose 31.15) (CBL S. 589).

Berücksichtigt man, daß der Tempel erhaben 750 m über NN auf dem Tempelberg gelegen war, so müssen die Säulen häufig wie Blitzableiter gewirkt haben. Die besondere Formung ihrer Kapitelle unterstützte diese Wirkung physikalisch zusätzlich noch. Die später berichtete Verkürzung der Kapitelle wäre dann auf die häufigen Blitzeinschläge zurückzuführen, die jeweils an der Einschlagstelle das Kupfer verdampft, abgeschmolzen oder als halbflüssige Kupferkügelchen ausgeworfen haben könnten. (Im Maschinenbau gibt es heute eine ähnliche Technik, bei der man mittels kleiner elektrischer Entladungen gezielt Metalle abträgt.) Das unangenehme Donnergrollen der Blitzeinschläge wurde von den als Resonanzkörper angeregten hohlen Säulen noch lange nachklingend begleitet. Da die Säulen aus relativ weichem Kupfer waren, muß es sich durch ihre Abmessungen um einen andauernden langsam abklingenden angenehm (oberwellenarmen) tiefen Ton gehandelt haben, wie er auch mit einem übergroßen Gong mittels dauerhaft sanftweicher Anregung erzeugt werden kann. Die zweite jeweils nicht vom Blitz getroffene Säule wird aufgrund ihrer identischen Resonanzfrequenz (gleiche Abmessungen) jeweils mitangeregt worden sein. Laute, sehr tiefe Töne werden vom Menschen nicht nur mit den Ohren sondern auch mit anderen akustisch sensitiven Zonen (Brust, Rücken, Fußsohlen etc.) intensiv wahrgenommen. So wurden die Menschen nachhaltig tief beeindruckt: Das Erleben dieses überwältigenden Ereignisses ergab den Eindruck vom Wirken einer Höheren Kraft, wie sie z. B. auch beim Tod der Söhne Aarons beschrieben ist (3. Mose 10.1-2).

Das Tau, ein Zeichen der Eingeweihten

In der Legende signalisiert Hiram seinen Arbeitern Botschaften mittels mehrerer Zeichen. Ein Zeichen davon entspricht dem Tau. Das Tau ist ein griech. und hebr. Buchstabe; es entspricht dem T; vor der Einführung der hebräischen Buchstaben war Tau das ägyptische Henkelkreuz, die Crux asanta der Lateiner, und auch mit dem ägyptischen Ankh identisch. Dieses Zeichen gehörte ausschließlich den Adepten. Es war das Symbol der Heiligung und der Weihung (LGW Stichwort Tau)und diente in der altägyptischen Schreibweise als Schriftzeichen für das Wort „Leben“. Es war das Zeichen des Gottes Thot, des Götterboten, des Seelenführers – griechisch Hermes Trismegistos. Nach talmudistischer Überlieferung salbte Moses Aaron zum Hohen Priester durch das T-Zeichen auf der Stirn. In Hesekiel IX, 4 finden wir dieses Zeichen der Rettung. (PQC). Daher wird auch in der Legende Hiram ein heiliges Zeichen nicht benutzt haben, um profane Bewegungsabläufe zu signalisieren. Vielmehr hat er gegenüber seinen Arbeitern durch das Zeichen seine besondere Macht als Adept symbolisiert.

Der Tammuz-Kult, die Lichtreligion Meister Hirams?

Der Osiris-Kult und die mit ihm verbundenen Mysterien beherrschten die ägyptische Religion mehr als alles andere. Er erscheint als ein Totengott oder als König und Richter der Toten. Andererseits wird er als Vegetation dargestellt, die in den Wasserfluten zugrunde geht, die auf geheimnisvolle Weise aus ihm selbst hervortreten. Er ist aber auch mit gleißendem Licht assoziiert; er wurde seines Glieds beraubt; Isis, seine Gemahlin, begab sich auf die Suche darnach; sie gebar Horus, den sie von Osiris empfangen hatte.

Auch von Tammuz, ein in Phönizien verehrter vorsintflutlicher sumerischer Hirtengott, wird erzählt, daß er mit gleißendem Licht sowie Wasserfluten assoziiert wurde und daß er in die Unterwelt hinabstieg, wo er von Ischtar, seiner Gemahlin, besucht wurde. Der Tod des Osiris – oder des Tammuz – und seine darauf folgende Wiederauferstehung, aber auch seine Wiederauffindung in fernen Spähren ohne sein früheres Strahlungsvermögen, waren das Thema nicht irgend eines der Mysterien, sondern des großen, alles überragenden Kults. Der Tod des Tammuz wurde gleich dem des Osiris weithin betrauert. Noch am Ende des Königreichs Juda, zur Zeit des Jeremia und des Ezechiel, weinten die Frauen in dem nach ihm benannten Monat um den Gott Tammuz (Hesekiel 8:14), während zugleich eine Fastenzeit eingehalten wurde; dasselbe spielt sich in dem gesamten Gebiet des Alten Orients ab. (DKV S. 92).

Der Herrscher König Salomo und Meister Hirams legendäre Macht

Über das Zeichen Tau führt uns die Erweiterung der Hiram-Legende zum lebendigen Handeln des Adepten Hiram. Wir erkennen Hirams geistige Macht, die er als Kundiger durch Beherrschung der Himmelsmächte verdeutlicht. Er kann mittels der Säulen Jakin und Boas Licht und Feuer donnergrollend vom Himmel holen, und mit dem Beobachtungstor im Tempel ist für ihn der Sonnenstand vorhersagbar. Seine umfassende Logistik beim Bau des Tempels läßt ihn in jeder Hinsicht als Adepten erscheinen. Wahrscheinlich steht König Salomo hier sogar einem Eingeweihten des Tammuz-Kultes gegenüber, der nicht nur geistige, sondern auch priesterliche Macht ausübt. Bei Verinnerlichung dieser Fakten kann König Salomo nur erschauern, verfügt er doch lediglich über politische Macht. Vielleicht führte dieses Erkennen König Salomo später dazu, den Tempel selbst einzuweihen, um so auch selbst priesterliche Macht zu demonstrieren.

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Literaturverzeichnis

BGB: Das große Bibellexikon, R. Brockhausverlag, 1987
CBL: Calwer Bibellexikon, Calwer Verlag Stuttgart, 6. Auflage 1989
DKV: Immanuel Velikovsky, „Das kollektive Vergessen“ Verdrängte Katastrophen der Menschheit, Umschau Verlag 1985
FLSo: Das Fischer Lexikon, Soziologie, Prof. Dr. König, Fischer Bücherei, 1958
HIR: Hans Bankl, Hiram – Biblisches-Sagenhaftes-Historisches, Indult Verlag 1992
HMG: Das Handbuch der Mysterien und Geheimlehren, Bruno Nardini, Goldmann Verlag, 1994
HVB: Hilfe zum Verständnis der Bibel, Wachturm Bibel- und Traktat-Gesellschaft Deutscher Zweig e.V., 1987
KBB: Grollenberg, Lucas H., Kleiner Bildatlas zur Bibel, Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn, 2. Aufl. 1982
KS: König Salomo, Das bewegte Leben des Königs der Könige, Gabriel Mandel/Petra Eisele, Knaur, März 1981
LGW: Horst E. Miers, Lexikon des Geheimwissens, Verlag Hermann Bauer KG 1970
MkLP: Meyers kleines Lexikon Philosophie, Meyers Lexikonverlag Mannheim, 1987
PQC: Publikation Quatuor Coronatis 1/77, von Pölnitz
PWVEB: Philosophisches Wörterbuch, Hrsgeb. Georg Klaus u. Manfred Buhr, VEB Verlag Enzyklopädie Leipzig, 1964/1972
WiZ: Immanuel Velekovsky, Welten im Zusammenstoß, Ullstein Sachbuch, Taschenbuchausgabe 1982
WPB: Wörterbuch der philosophischen Begriffe, Hofmeister, Felix Meiner Verlag, Hamburg, 1955
WWIBS: Manfred Barthel, Was wirklich in der Bibel steht, Econ-Verlag, 2. Auflage 1990
ZuL: Jörg Sellenriek, Zirkel und Lineal, Kulturgeschichte des Konstruktiven Zeichnens, Verlag Georg D. W. Callwey, 1987