Zwischen Falsch und Richtig

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Diese Zeichnung beschäftigt sich mit dem Thema „Erkenne dich selbst!“. Sie ist eine Erzählung, basiert auf mehreren autobiographischen Episoden, die zeitlich und emotional geringfügig angepasst wurden.  

Es war ein Morgen in Juni, und die Sonne schien durch die Spitzen der Bäume und beleuchtete einen kleinen Pfad, der in den Wald führte. Der Wald sah dunkel und undurchdringlich aus, aber eher geheimnisvoll als gefährlich. Ein Junge stand auf dem Pfad, er war zwölf Jahre alt. Er war kurz davor, sich aus dem Kindheit zu verabschieden, und er fühlte sich mächtig und mutig und selbständig, wenn auch gleichzeitig unsicher. In seiner Hand hielt er einen schweren Holzstock. Er hatte etwas vor.

Der Junge ging in den Wald und dann durch ein Wacholderdickicht zu einer kleinen Waldwiese, an deren Rand ein großer Baum stand. Unten war der Baumstamm ziemlich glatt, erst in mehreren Metern Höhe fingen die Zweige an, in alle Richtungen auszuschlagen.  Und an einem dieser Zweige war ein Vogelnest. Der Junge konnte es von unten gut sehen. Als er das Nest vor paar Tagen entdeckte, hat er auch den Vogel gesehen, der zum Nest kam und danach wieder wegflog. Der Junge würde gerne näher an das Nest kommen, doch beim Versuch auf den Baum zu klettern ist er nicht weit gekommen und hat sich dabei an dem Schulter verletzt. Waren es vielleicht auch diese Kratzer, die seinen Ehrgeiz anheizten, der Situation Herr zu werden?

Der Junge schwang den Stock und schleuderte ihn nach oben. Beim ersten Versuch verfehlte er das Ziel knapp, aber mit dem zweiten war er erfolgreich. Das Nest fiel auf die Erde unter seine Füße und zerbrach an einer Seite beim Aufprall.

Da sah der Junge, was er angerichtet hat. In dem kaputten Nest waren kleine Küken. Sie waren vielleicht nur paar Tage alt, noch so gut wie ohne Federn. Und sie haben sich verletzt und piepsten um Hilfe.

Der Junge hat ihnen nicht geholfen. Irgendwie war es ihm sofort klar, dass jegliche Hilfeversuche aussichtslos wären. Und in diesem Moment kam der Vogel, dem das Nest gehörte. Und der Vogel ist aufgeregt hin und her geflogen und gesprungen und hat gezwitschert, auf der Suche nach seinem Nest, nach seinen Babys…

Der Junge ist erschrocken weggelaufen, durch das Gebüsch, zurück zum Waldrand. Er stolperte über ein Erdloch, stieß mit dem Knie gegen einen Baumwurzel und fiel hin, mit dem Gesicht in das weiche grüne Moos. Er hat seine Finger in diesem Moos vergraben und fing an, vom Schluchzen zu zittern. 

Er hatte einen fast unerträglichen Schmerz – nicht an seinem Bein, aber in seinem Herzen. Es wurde ihm plötzlich klar, dass er etwas Böses, etwas Falsches getan hat. Und, so stark und so kühn wie er war, wird er es nie wieder gutmachen können. Er hätte jetzt alles getan, um dieses blöde Nest heil zurück nach oben zu bringen! Aber er konnte nichts tun, bloß schluchzend weinen.

Er kam zurück in sein Zeltlager. Er hat niemandem davon erzählt, auch nicht in den vielen, vielen Jahren danach. Aus Scham, aus Verlegenheit? Oder war er vielleicht zu traurig, zu nachdenklich? Und er hatte noch immer dieses Bild vor den Augen – ein zerstörtes Nest, piepsende verletzte Küken,  die verzweifelte Vogelmutter…  

Was er noch nicht wusste – dass dieses Bild ihn sein Leben lang begleiten wird. So scharf und klar und schmerzhaft, als ob es alles erst gestern geschah.

.   .   .

Es war Anfang Oktober, fast Mitternacht. Es war dunkel und kalt, und der Nieselregen wollte seit gestern nicht aufhören. Ein Intercity-Zug hat gerade an dem Bahnhof einen Kurzstopp gemacht. Ein Mann ist ausgestiegen, er war Mitte vierzig. Er kam zurück von einer Zwei-Tage-Dienstreise, nur mit Handgepäck. 

Auf dem Weg zum Parkplatz, wo sein Auto abgestellt war, hat er mit dem Seitenblick bemerkt, wie aus dem letzten Wagen des Zuges ein Mann mit mehreren Koffern und zwei Kindern im Schlepptau, wahrscheinlich der Vater, ausgestiegen war und den Bahnsteig entlang Richtung Ausgang zu Stadt eilte. Haben sie etwa verschlafen, bis die Türen sich schlossen und ihre Station fast verpasst? 

Der Mann schaltete den Motor an und wartete kurz. Im Rückspiegel sah er eine Bushaltestelle und einen Bus, der gerade wegfuhr. Eine kleine Gruppe mit ihren Koffern kam – laufend, stolpernd – aus dem Tunnel von der anderen Seite des Bahnhofes. Der Bus verschwand hinter der Kurve.

Der Mann schaltete den Rückwärtsgang und fuhr zur Straße. Bei der Ausfahrt hat er erneut mit dem Seitenblick den Vater mit seinen Kindern unter dem Bushaltestellendach gesehen. Sein Weg war in die andere Richtung und er gab Gas, um dann nach mehreren Hundert Meter aufzuhalten. Etwas störte ihn. Etwas war nicht in Ordnung. Von hier konnte er die Bushaltestelle nicht sehen. Er wendete und fuhr zurück. Er hatte ein bisschen Angst, dass sie nicht mehr da sind, aber sie waren noch da. 

Ein Vater, so in seinem Alter, zwei Jungs. Zwillinge, elf oder zwölf. Der Vater stand, die Söhne haben sich auf die Koffer gesetzt. Vom Regen waren sie halbwegs geschützt; warm und gemütlich war es ihnen bestimmt nicht.

Der Mann stieg aus dem Auto aus. 

  • Haben Sie den Bus verpasst? 
  • Ja… Jetzt müssen wir auf den nächsten warten. 
  • Der nächste kommt erst morgen um vier. Werden Sie die ganze Zeit hier ausharren?
  • Der Bahnhof ist jetzt geschlossen. Was kann ich tun? 

Es waren die Zeiten, als ein Mobiltelefon noch nicht jeder Manager sein eigen nennen durfte. 

  • Soll ich Ihnen ein Taxi bestellen? 
  • Ich… habe nicht genug Geld für das Taxi… 
  • Wohin soll es gehen? 
  • Schenkendorf. 
  • Bei Burg-am-Oker? 
  • Ja.

Scheiße – hat er gedacht, da sind fast sechzig Kilometer und dann noch der Weg zurück. Er überlegte… seine Frau anzurufen. Aber vielleicht schläft sie schon. Es ist nicht das erste Mal, dass er später kommt als geplant. 

  • Stellen Sie Ihre Koffer rein und steigen Sie ein! 

Der Vater guckte mit sichtbarem Zweifel auf den dicken Wagen. 

  • Die Kinder haben dreckige Schuhe.
  • Es ist doch egal, steigen Sie bitte ein. 

Der Vater ließ seine Söhne auf den Rücksitz. Man hörte die Jungs begeistert flüstern, so ein Auto haben sie bisher bestimmt nur von außen gesehen.

Sie fuhren durch die Felder und Wälder, niemand außer ihnen unterwegs. 

  • Die Kinder haben Schach gespielt… Wir haben das Aussteigen fast verpasst… Und sind dann noch zum falschen Ausgang gegangen… Der Bus war weg, direkt vor unserer Nase… 
  • Ja, so etwas hab ich mir gedacht… So ist es, mit Kindern zu reisen…
  • Haben Sie Kinder? 
  • Ja – drei. 
  • Oh, ich auch drei. Ich habe noch eine Tochter, sie ist jetzt mit meiner Frau zuhause… 
  • Bei mir sind es zwei Mädchen und ein Junge. 

Sie waren schon fast am Ziel. Die Brüder auf dem Hintersitz sind eingeschlafen. Der Vater zog sein Portemonnaie aus der Hosentasche. Er hat sich bemüht, es unauffällig zu tun. Und dann hat er da hintenherum vorsichtig Geldscheine geblättert. Es waren nicht viele. Er hat einen Zehner rausgeholt, und dann statt dessen einen Zwanziger…

  • Jetzt bitte an der Kreuzung rechts und dann gleich links… Da sind wir da! 

Die Kinder sind aufgewacht. Das Licht schaltete sich ein und beleuchtete den Zwanzig-D-Mark-Schein.

  • Nein-nein, Sie brauchen mir kein Geld zu geben. Auf keinen Fall.
  • Aber Benzin…
  • Vergessen Sie es! 
  • Und Ihre Zeit? 

Sollte man jetzt erzählen, mit welchem Stundensatz er arbeitet? Plus Nachtzuschlag?

Sie sind aus dem Auto ausgestiegen. Die Zwillinge standen neben ihren Koffern. 

  • Wie alt seid ihr?
  • Elf, in November zwölf.
  • Könnt ihr mir was versprechen? 

Sie guckten ihn an, in ihren Augen Zweifeln oder Neugier, aber kein Schlaf mehr. 

  • Wenn ihr in Wald mal geht oder so und dort einen Vogelnest seht… oder ein kleines Tierchen oder so was… dann vorsichtig sein, ja? Nicht kaputt machen, nicht zertrampeln…  oder stören… oder so was… OK? 

Die Jungs haben schweigend mit dem Kopf genickt – ja, sie haben ihn verstanden. Haben sie? 

In dem zweistöckigen Mehrfamilienhaus kam Licht in einem der Erdgeschossfenster. 

  • Oh, das ist meine Frau… Aber ich muss doch ihnen etwas geben!
  • Wissen Sie…  Mögen Ihre Frau und Kinder Eis? Dann gehen Sie am Wochenende Eis essen. Für dieses Geld. Dann sind wir quitt. Ausgemacht? Bitte! Versprechen Sie! 
  • Versprechen? Ja, gut… Ich verstehe… Sind Sie Baptist? Ich meine… Zeuge Jehovas?
  • Ich? Nein-nein! Aber… vielleicht gibt es ein Geheimnis zwischen uns – schmunzelte er.
  • Was meinen Sie? Geheimnis? Welches Geheimnis?
  • Ah, nichts… Ich bin einfach schon zu müde… Gute Nacht und alles Gute! 

.   .   .

Als er an der Bushaltestelle vorbei fuhr, überlegte er, wie es gewesen wäre, wenn er diese Leute nicht bemerkt hätte, wenn er sich keine Gedanken machte und nicht wendete… Und wie immer hat er sich hinterfragt, ob er nicht etwas Falsches getan oder gesagt hat, etwas Verletzendes oder Irreführendes. Und ob er etwas, was wichtig war, unterlassen  hat… War es von ihm so großartig, ihnen Eis zu spendieren? Wollte er überhaupt etwas Gutes tun? Der Menschenliebe wegen? Nein. Er war kein Gutmensch. Gutmenschen machen keine Vogelnester kaputt oder sie merken es gar nicht. 

Immer hat er nur das getan, was er für nötig und anständig hielt, und sich bemüht, keinen Kollateralschaden dabei zu verursachen.  Er hat diese Leute nicht gesucht, aber er konnte einfach nicht weg fahren, ohne auf sie aufmerksam zu werden. Und er könnte nicht, sich zu Hause gemütlich fühlen, wenn er wusste, dass sie da im Dunklen stehen… Aber mit dem Eis? 

Warum war es fast immer so? Manchmal hat er alles vorab lange überlegt; manchmal war es ganz spontan. Aber jedes Mal hat er im Nachhinein seine Emotionen, seine Entscheidungen, seine Taten und Worte in Frage gestellt und eine kritische Rückmeldung nachgesucht. Nicht, dass er Selbstzweifel hätte; nein, dafür besaß er zu viel self-esteem. Aber die zentrale Quelle seiner inneren Stärke war gerade die Anerkennung seine Unvollkommenheit und der Wille, mindestens einen kleinen Teil seiner Makel loszuwerden.

Dafür brauchte er gewisse Orientierung, Maßstäbe, Vergleiche. Die Hilfsmittel für die Selbstreflexion. Und natürlich auch die Fähigkeit, die gewonnenen Kenntnisse zu beurteilen und Schlüsse zu ziehen. 

Seine Überzeugungen, Sitten, Benimm-Regeln hat er bereits in seine Kindheit und Jugend entwickelt und dann sein Leben lang nachjustiert, verfeinert, ergänzt. Und schon als Teenager begann er, an sich zu tüfteln. Er war in einer Gesellschaft, in einem sozialpolitischen System aufgewachsen, wo die Verständnisse von Gut und Böse, Richtig und Falsch verschieden, gegensätzlich und widersprüchlich waren. Wäre es schlecht, etwas zu stehlen? Quatsch, alle machen es auf irgendeine Weise. Wäre es richtig, einen Freund zu verpfeifen? Klar, es ist deine Pflicht, sagte seine Jugendorganisation. Wie wäre es Gott zu lästern, wie die offizielle Ideologie vorspielte? In seiner Familie war es inakzeptabel… 

Es war nicht einfach, die Heuchelei, die Spießigkeit, den Blödsinn auszufiltern und das Gute beizubehalten. Esist ihm gelungen, mit der Hilfe von Vorbildern – aus Büchern und Filmen, aus realen Leuten neben ihm – und ihren Ideen, Vorstellungen, Überzeugungen ein eigenes Grundwertesystem zu konstruieren, das klar, logisch, angebracht und dauerhaft war. Das ihm erlaubte, adäquat und konsequent auf das Geschehen um ihn herum zu reagieren. Es war, als ob er ein Senkblei in der Hand hätte, um zwischen Falsch und Richtig zu unterscheiden.

Allerdings… Es war unmissverständlich falsch, einen Vogelnest zu zerstören. Es war bestimmt richtig, irgendwelche Leute in der Nacht nach Hause zu bringen. Es gab genug eindeutig falsche und eindeutig richtige Fälle.  Dazwischen lag aber eine Grauzone.

Als er sechzehn war, hat man ihn beim Onanieren überrascht und daraus Theater gemacht. Es war peinlich. Aber war es, was er tat, schlecht, beschämend, sündhaft? Und seine Fantasien dabei, waren sie so schlimm? Immerhin ist er doch in Zweifeln geraten und hat in den folgenden Jahren immer wieder versucht, sich zu bessern – good boy, Sunday School. Wie bei unzähligen Jungs davor und danach war sein Scheitern vorprogrammiert.

Es war in der Armee. Es war brutal. Er war Sergeant. Er musste seine Rekruten schützen, dafür sich der Brutalität der Bräuche entgegenstemmen, deswegen – selbst knallhart sein. Nur deswegen? Er hat dabei seine Authentizität beinahe verloren… Zum Glück war es nicht im Krieg; er musste nicht schießen, töten… Würde er es tun? Ha, sicher! Dieser Gedanke hat dazu beigetragen, dass er zu einem überzeugten Pazifisten und Antifaschisten wurde. Ohne Wenn und Aber.

Als Teamleiter auf einem Forschungsschiff hat er sich für den Naturschutz und gegen die monetären Interessen der Crew durchgesetzt. Die Drohung, ihn über Bord zu schmeißen, war nur ein leeres Geschwätz. Aber die in der Luft hängende Konfrontation war nicht leicht zu ertragen. Sowie das Gefühl „Alle sind gegen dich, du stehst völlig alleine da!“. Das Erlebnis verhalf ihm zum Motto: etiam si omnes, ego non.  

Viel später in Indien hat er nur das getan, wofür man ihn dorthin geschickt hat – für die Compliance zu sorgen. Auf der Baustelle seiner Firma hat er mehrere Kinder mit Zementsäcken auf dem Rücken entdeckt. Als er sie fotografierte, haben sie in die Kamera freundlich gelächelt. Sie wussten nicht, dass er die Bilder an den Konzernvorstand überreichen wird. Es hat eine Menge Ärger gebracht. Nicht ihm. Ihm wurde aber klar, dass die Familien dieser Mädchen jetzt mit dem Stillen ihres Hungers Probleme kriegen. Das Essen im Hotelrestaurant in Mumbai schmeckte irgendwie nicht mehr so gut. Und zurück in der Heimat verabscheute er es umso mehr, Lebensmittel wegzuwerfen.

Einmal hat er in der U-Bahn einen obdachlosen Junkie gehört – „Entschuldigen Sie bitte die Störungein bisschen  Kleingeld… oder ein Leergut…“ Zufällig kannte er den Kerl, dem nur noch paar Wochen bis zum Tod blieben. Und diesmal hat er Geld gegeben. Mehr als für ein Essen notwendig wäre. War es eine karitative Handlung, eine Spende zum guten Zweck? Oder die Subventionierung des internationalen Drogenhandels?

Er wusste, dass die Ursprünge der Guten Taten solcher Art nicht immer in der Empathie auf gleicher Augenhöhe liegen. Oft wird es hochmutig von oben nach unten geguckt. Und fast immer steckt dahinter ein unbewusster Versuch des Spenders, sich einen Ablassbrief zu besorgen. Für die Vergangenheit oder auch für die Zukunft. Motivationstheorie. Drittes Uni-Semester. Wie hieß es noch mal? Self-licensing bias?

Die Psychologiekenntnisse, die ihm bei seinem Studium in die Hände kamen, waren für die Auseinandersetzungen mit sich selbst und mit der Welt extrem nützlich. Sie dienten auch als Werkzeugkasten für das Arbeiten am Rauen Stein seiner Persönlichkeit. Er hat halb absichtlich-bewusst, halb automatisch alles und ständig – im Vorwege und im Nachhinein und sogar noch Jahrzehnte später – abgecheckt, analysiert, nachvollzogen. Immer wieder entdeckte er dabei etwas in sich selbst, was zu korrigieren gehörte. Die Ecken der Unvollkommenheit, die abgeschlagen werden mussten. Hat er die dafür notwendigen Techniken beherrscht? Ja, sogar einigermaßen gut. Der Prozess lief nicht ohne Schmerzen und hinterließ ab und zu Schrammen.

Eine wertvolle Hilfe waren die Gespräche mit Freunden – beim Spazierengehen, gelegentlich beim Kerzenlicht. Waren es immer scharfsinnige Dialoge oder manchmal oberflächliche Small-Talk-Quatsch? Waren die Anderen damit überfordert? Hat er die ganze Zeit geredet, ohne zuzuhören? Ein profi-feedback oder eine supervision von den Kollegen waren in dieser Hinsicht optimal, aber selten. Die wichtigste und einfachste Methode war –  zu schreiben. Sein Tagebuch. Kurze Notizen. Ab und zu einer Art Aufzeichnungen – wie diese eine eben.

Langsam, aber sicher entwickelte er sich weiter. Nicht auf dem ganz geraden Weg; es gab Kurven. Irgendwann schaffte er es nicht, sich den Versuchungen der spießbürgerlichen Habgier und dem Konsumrausch zu widersetzen, und hätte seine Ideale fast verraten. Er hat es gerade rechtzeitig erkannt, um den ganzen Schund samt der Eitelkeit und der Establishment-Arroganz alle auf einmal voll abzuschütteln. Ist es ihm gelungen? Wirklich?

Er hat das zerstörte Vogelnest nicht vergessen, er hat aber mit dem Jungen von damals seinen Frieden geschlossen. Das Nest existierte seit ewig nicht mehr. Die Küken und auch der Muttervogel waren lange Zeit tot. Man kann in solchen Fällen so gut wie nichts machen. Nur verstehen, bereuen und – vielleicht – sich verzeihen…    

Auf dem weiteren Weg nach Hause hat er im Autoradio Musik gehört, und die Nachrichten, und die Wettervorhersage. Es sollte am Wochenende warm und heiter bis wolkig sein. Altweibersommer. Er hat sich gefreut – ein passendes Wetter, um Eis essen zu gehen.