Gedanken über Gewohnheiten

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In den letzten Monaten habe ich einige Seminare besucht, die sich mit der Thematik Erfolg beschäftigt haben. Ein Referent sagte während einer zweitägigen Veranstaltung immer wieder die folgenden Sätze, die sich mir einprägten:

„Wenn du immer das tust, was du bisher getan hast, wirst du immer das erhalten, was du bisher erhalten hast.“

Die Fragestellung, ob tatsächlich unsere Gewohnheiten einen entscheidenden Einfluß auf unser Leben, auf unser wünschenswerterweise erfolgreiches Leben haben, ist Grundlage meiner folgenden Ausführungen, die selbstverständlich nicht den Anspruch erheben, allumfassend oder etwa allgemein gültig zu sein.

Die Medizin bringt Gewohnheit bzw. Gewöhnung in Zusammenhang mit der Einnahme von Drogen oder Medikamenten, an die sich der Organismus mit der Zeit so gewöhnt, daß die ursprünglich gewünschte Wirkung nicht mehr erzielt wird bzw. Schädigungen provoziert werden und Abhängigkeit als Folge entstehen kann. Physiologisch bedeutet Gewohnheit die Akzeptanz von Dauerreizen, wie zum Beispiel den Lärm der S-Bahn, der in die Wohnung dringt, mit der Zeit jedoch kaum oder gar nicht mehr bemerkt wird. In der Psychologie gibt es die folgende Definition: Gewohnheit ist die durch häufige Wiederholung psychischer und physischer Abläufe geschaffene Bereitschaft zu routinemäßigem, automatisch erscheinendem Verhalten, das auf Aufmerksamkeit und Überprüfung verzichtet und zu einer verminderten Flexibilität führt.

Geläufig ist uns der Begriff der „liebgewonnenen Gewohnheiten“. Das sind also offenbar Dinge, die wir als etwas Positives für uns anerkennen und die wir demnach gerne tun. Das kann der Griff zum Zucker sein, wenn wir eine Tasse Kaffee trinken oder zur Zigarette. Das kann das Zähneputzen nach den Mahlzeiten sein oder auch der Blumenstrauß, den der aufmerksame Ehemann immer am Freitagnachmittag seiner geschätzten Lebenspartnerin schenkt. Es ist alles das, was wir tun, weil wir es uns „angewöhnt“ haben, was wir quasi automatisch machen, denken, reden, ohne uns vorher große Gedanken oder Pläne gemacht zu haben. Uns sind diese Dinge so in „Fleisch und Blut“ übergegangen, daß wir sie kaum mehr bewußt bemerken, sie gehören zu uns, zu unserer Persönlichkeit. Es ist ein angenommenes Verhalten, das nur schwer zu durchbrechen ist und somit die Grenzen beschreibt, in denen wir uns „gewöhnlich“ bewegen.

Ich möchte an dieser Stelle von einem wissenschaftlichen Experiment erzählen, von dem ich mit Erstaunen gehört habe:

Man stelle sich ein großes, rechteckiges Aquarium vor, in dem Piranhas schwimmen. Nun schränkt man den Bewegungsfreiraum dieser Piranhas ein, indem man das Aquarium in der Mitte mittels einer Glasscheibe in zwei Hälften teilt. In der rechten Hälfte sind die Piranhas und in der linken Hälfte wurden Zierfische hinzugefügt. Die Piranhas schwimmen gezwungenermaßen in der ihnen verbliebenen Hälfte und stoßen wieder und immer wieder mit ihren Köpfen gegen die unsichtbare Glasscheibe. Nach und nach haben sich die Piranhas an den kleineren Raum gewöhnt und ziehen, wie die Zierfische auf der anderen Seite, ihre Runden, ohne Karambolagen mit der Trennscheibe. Jetzt ist der Zeitpunkt gekommen, die mittlere Glasscheibe zu entfernen. Wie reagieren wohl die Piranhas und die Zierfische? Es ist tatsächlich so, daß sie eine ganze Zeit lang weiter wie bisher in ihrer jeweiligen Hälfte verbleiben, obwohl gar keine Trennung mehr besteht. Gewohnheiten sind immer gleiche Spuren. Irgendwann wird dann irgendein Fisch zufällig einen weiteren Kreis schwimmen, bis sich das Verhalten aller Fische wieder ändert und der gesamte Raum des Aquariums ausgenutzt wird.

Reden wir einmal über die Gewohnheiten, die wir für uns – aus welchen Gründen auch immer – als negativ erkannt haben und von denen wir uns lösen wollen. Wer kennt nicht die guten Vorsätze, speziell zur Jahreswende? Wie oft haben wir uns schon vorgenommen, regelmäßig in unseren Fitnessclub zu gehen oder mindestens zweimal die Woche unseren Jogginglauf zu machen, endlich endgültig mit dem Rauchen aufzuhören oder jetzt aber wirklich mal konsequent eine Diät durchzuführen. Möge ein jeder selbst beurteilen, wie es um die erfolgreiche Umsetzung bestellt ist. Sind wir nicht wahre Meister im Ausreden erfinden? Wir machen Versprechungen, von denen wir eigentlich von vornherein wissen, diese nicht einhalten zu können. Morgen, so sagen wir, wird alles anders. Aber morgen ist wieder alles anders, und vieles hält uns auf geradezu magische Weise davon ab, die Dinge, die wir uns so fest vorgenommen haben, auch wirklich zu tun. Wir kennen alle die Geschichte vom Teufel, der seine Großmutter erschlagen hat, weil diese keine Ausrede mehr wußte.

Es gibt offensichtlich Gewohnheiten, die wir als erstrebenswert erachten und andere, von denen wir uns lossagen wollen. Wer sich also mit seinem Leben beschäftigt und auf seine Gewohnheiten schaut, wird feststellen, daß man durchaus eine Einteilung seiner Gewohnheiten in „mein Leben fördernd“ und „mein Leben hemmend“ machen könnte. Meines Erachtens wäre eine solche Bestandsaufnahme auf dem Wege zu Selbsterkenntnis und Selbstverbesserung hilfreich. Wenn ich den Status Quo ermittelt habe, weiß ich, wo ich stehe, was mein gewöhnliches Verhalten ausmacht und kann dann eventuelle Veränderungen angehen. Folgen wir doch dem alten Rat Pythagoras`:

„Überprüfe dein Handeln täglich“.

Die Frage, die wir uns stellen sollten, heißt also: Wie nützlich sind meine Gewohnheiten?

Wie nützlich ist es, ungefragt anderen Menschen Ratschläge zu erteilen und ihnen zu erklären, was sie unserer Meinung nach tun oder lassen sollten? Lernen wir etwas dabei, wenn wir unseren Mitmenschen unsere Mütze über den Kopf ziehen? Wie nützlich ist es, sich über die Gegensätzlichkeiten dieser Welt aufzuregen und zu allem, was passiert, seine Meinung kundzutun? Bringt es uns wirklich weiter, die Schreckensmeldungen aus Zeitung und Fernsehen zu verbreiten? Wie nützlich ist es, sich über die Verhaltensweisen anderer zu beklagen? Wie fühlen wir uns, wenn wir uns über den Chef, Kollegen oder Familienmitglieder auslassen, auch wenn wir uns noch so sehr im Recht wähnen?

Ein Mensch, den ich sehr schätze, hat mir einmal gesagt: Das Geniale ist immer einfach. Was wäre, wenn das so wäre? Was wäre, wenn wir einfach unsere schlechten Gewohnheiten durch gute Gewohnheiten ersetzen würden, die dann, gewissermaßen automatisch, wieder neue, gute Gewohnheiten nach sich ziehen?

Ich bin davon überzeugt, daß die Summe unserer Gewohnheiten unseren Charakter formen und dieser wiederum unser Schicksal steuert. Die einfache Wahrheit demnach wäre: Wenn wir einmal Kontrolle über unsere Gewohnheiten erlangt haben, werden wir Kontrolle über unser Leben haben. Das würde also bedeuten, daß wir unsere Finanzen kontrollieren könnten, unsere Gesundheit bewahren könnten, unsere Zeit unter Kontrolle hätten und unsere Beziehungen so wären, wie wir es uns wünschen.

Aber Achtung!
Wenn die Dinge zu einfach erscheinen, strahlt unser Unterbewußtsein eine Meldung aus, die sagt: Vorsicht, Vorsicht! Das ist doch zu einfach. Wir machen dann aus dieser einfachen Sache ein Problem, schaffen geeignete Umstände, die diesem Problem Rechnung tragen und stehen dann glücklicherweise in Einklang mit unserer inneren Überzeugung, daß das alles doch wohl so einfach nicht sein kann.

Aber vielleicht ist vieles doch einfacher, als wir uns meist zugestehen. Sind wir nicht alle mit dem Gedankengut aufgewachsen, daß das Leben anstrengend sei und mit Schweiß und Tränen einhergeht, zumindest, wenn man etwas erreichen will, etwas aus seinem Leben machen will? Stimmt nicht viel eher der Satz

„Es ist wichtiger, das Richtige zu bewirken, als viel zu leisten.“?

Nehmen wir doch mal an, es gäbe die Möglichkeit, durch nur kleine Änderungen des eigenen Verhaltens aus diesem anstrengenden Kämpfen ein natürliches Fließen zu machen und somit Schritt für Schritt das Leben in die Balance zu bekommen. Was benötigen wir, um diese kleinen Veränderungen zu bewirken? Das Wichtigste ist wohl der Wille zur Veränderung. Wir müssen es wirklich wollen. Nicht das Können ist entscheidend, sondern das Wollen. Wenn wir für uns erkannt haben, warum wir etwas verändern wollen, welche Vorteile damit verbunden sind und unser Ziel klar vor unseren Augen erscheint, dann wird der Wille so mächtig, daß er sich über die generelle Angst vor Wechsel und Änderung emporhebt und zum Motor wird. Hilfreich wäre zudem, eine Bestandsaufnahme unserer individuellen Gewohnheiten zu machen, um dann entscheiden zu können, welche uns förderlich erscheinen und welche wir eher als hemmend einordnen können. Eine solche Bestandsaufnahme ist natürlich eine sehr persönliche Sache, so daß ich mich auf einige generelle Betrachtungen beschränke.

Betrachten wir unsere grundsätzlichen Verhaltensmuster, in denen wir uns bewegen.
Unterteilen wir unsere täglichen Tätigkeiten einmal in vier Bereiche:

  1. Wichtige, dringende Tätigkeiten.
  2. Wichtige, nicht dringende Tätigkeiten.
  3. Nicht wichtige, dringende Tätigkeiten.
  4. Nicht wichtige, nicht dringende Tätigkeiten.

Unter (1) dringend und wichtig beschäftigen wir uns mit aktuellen Krisen, dringlichen Problemen, Projekten mit Abgabeterminen u.s.w. Dazu kommen dann hilfreicherweise noch die unter Punkt (3) einzuordnenden dringenden, aber nicht wichtigen Dinge, wie Unterbrechungen durch Anrufe, die zwar nicht wichtig sind, jedoch nur zu gerne ausgedehnt geführt werden; Post, die eigentlich unbeachtet bleiben könnte, aber auf dem Tisch liegt und ähnliches.

Nur zu oft leben wir unseren Alltag in diesen beiden Bereichen und suchen dann Entspannung im Bereich (4) mit Tätigkeiten, die weder wichtig noch dringend sind. Wir verschwenden unsere Zeit, suchen Ausgleich in Trivialem, nutzen das E.E.M.G., das ElektronischeErfolgsMinimierungsGerät, auch Fernseher genannt.

Das Problem ist, daß wir uns viel zu wenig mit Punkt (2) befassen, den wichtigen, aber leider überhaupt nicht dringenden Tätigkeiten. Hier sind Gewohnheiten einzuordnen, wie zum Beispiel Planen, konstruktives Denken und Imaginieren von Zielen oder Vorbeugen.

Die meisten Menschen planen ihren Urlaub besser als ihr Leben. Die meisten Menschen machen sich erst dann Gedanken über Gesundheit, wenn sie krank sind. Die meisten Menschen haben verlernt zu träumen und sich diese Träume bildlich vorzustellen. Wunschlos glücklich zu sein, keine Träume zu haben, ist für mich die höchste Stufe der Hoffnungslosigkeit. Auf die eigentlich simplen Fragen: „Wo möchtest du in fünf Jahren sein, was möchtest du in 10 Jahren erreicht haben, welche Träume möchtest du dir in deinem Leben erfüllen?“ können wir oft nur nach langem Nachdenken antworten. Liegt es vielleicht daran, daß wir die Gewohnheit haben, uns diese Fragen selber nicht zu stellen?

Wie wäre es, wenn ich mir zur Gewohnheit machen würde, mehr Zeit mit Tätigkeiten auszufüllen, die vielleicht absolut nicht dringend scheinen, jedoch eventuell zu den wichtigsten Dingen gehören? Wäre es nicht vorstellbar, daß nach schrittweiser Integration dieser Gewohnheiten mein Leben zielgerichteter und erfolgreicher verlaufen könnte, so daß die Bewältigung der unter Punkt (1) genannten wichtigen und dringenden Krisen, Probleme und Termine viel weniger Zeit in Anspruch nehmen würde, da diese nicht mehr in so großer Anzahl existieren?

Ich möchte jeden dazu ermuntern, zu überprüfen, welche Gewohnheiten ihn persönlich in Zukunft weiterbringen können. Laßt uns nur eine einzige nehmen und anfangen, diese in unserem Leben umzusetzen. Denn wenn wir diesen ersten Schritt gemacht haben, werden weitere gute Gewohnheiten folgen, und nichts wird uns mehr aufhalten. So einfach es klingen mag, so groß ist die Chance, unser Leben zu einem „wundervollen“ Leben zu machen.

 

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