Parabel vom Blumengarten

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„…würde ich mich mit Grausen wenden.“

Bruder A.P.

Vor sehr langer Zeit begab es sich, dass eine Schar von Grossschurzzwergen auf der Wanderschaft inmitten unberührter Wildnis aber nah eines viel befahrenen Weges auf ein kleines Feld voller wunderschöner Blumen stieß, in welchen sich die Schönheit, Stärke und Weisheit des ALL- Einen aufs Liebevollste ausdrückte.

Und da es seit alters her die Aufgabe von Grossschurzzwergen ist, allen Suchenden den Weg zum Mysterium zu erleichtern, beschlossen sie sogleich, dieser Aufgabe hier bei den Blumen fortan nachzukommen; Denn es war der kraftvollste Ort, den sie je betreten hatten.

Zu allererst wandten sich die Zwerge nun der Hege und Pflege der wunderschönen Blumen zu. Aber bald wurde ihnen klar, dass die Blumen ganz gut alleine zurechtkamen; Selbst wenn es hier und da Unkraut zwischen ihnen zu entfernen gab oder benachbarte Sträucher hin und wieder drohten, ihnen etwas Licht zu nehmen- im Grunde schienen die Blumen aus innerer Kraft heraus und nicht von äußeren Einflüssen abhängig zu wachsen.

Also begannen die Grosschurzzwerge mit ihrer eigentlichen Arbeit; Von weit her schafften sie Kies heran und legten einen Weg aus Kieselsteinen von der nächsten viel befahrenen Strasse hin bis genau vor das Blumenfeld.

Und zufrieden sahen die Grossschurzzwerge, wie solcherart geführt die ersten Besucher erschienen und Weisheit und Stärke durch die Blumen erfuhren und bei ihrem Anblicke begriffen, dass jeder von Ihnen Teil des All-Einen ist.

Um den Garten bekannter zu machen, errichteten sie in einer Entfernung von 99 Zwergenlängen ein grosses Schild über den Weg, auf dem

„Blumengarten. Gefunden von den Grossschurzzwergen“

zu lesen war. Das verfehlte seine Wirkung nicht; immer mehr Besucher erlebten die Kraft der Blumen. Und wenn, was aber ausgesprochen selten vorkam, einmal ein Besucher eine der Blumen abrupfte – Plopp! – sogleich war sie nachgewachsen -und die abgerupfte Blume in seiner Hand- spurlos verschwunden!

Weil es sich nun aber herumgesprochen hatte, was für ein besonderer Ort der Blumengarten war, strömten die Suchenden unterdessen aber nicht allein über den Kiesweg hin zu den Blumen; Von allen Seiten her kamen sie, mitten durch die Wildnis gar! Schon hatten die Grossschurzzwerge das Blumenfeld mit einem Kreis aus Kieselsteinen umgeben, damit man es nicht übersähe; Aber dieses wilde, von allen Seiten, nein, das ist einem Grossschurzzwerg zuwider… „Wer da die Blumen sehen will, sollte schon unsern schönen Kiesweg benutzen“ „Ja, und er sollte auch unter unserem Schild hindurchgehen, damit er sieht, dass es der Garten der Grossschurzzwerge ist!“ „Und überhaupt- Ein Blumengarten Ist doch ein klar abgesteckter Bereich – Das sollte schon deutlich sein!“ So sprachen die Zwerge untereinander.

So errichteten sie eine Mauer mit einem Durchmesser von 99 Zwergenlängen rund um das Blumenfeld, und fortan waren die Blumen nur noch durch das Tor zu erreichen unter dem erneuerten Schild, auf dem „Blumengarten der Grossschurzzwerge“ zu lesen war und vor dem stets ein Grossschurzwerg saß und von jedem Besucher Eintrittsgeld verlangte, wegen der Kosten für Mauer und Kies.

Angesichts der ummauerten Wildnis erkannten die Grossschurzzwerge nun sofort: Da waren viel mehr Kieselsteine nötig! Schliesslich gab es um das Blumenfeld in der Mitte des Gartens lauter Pflanzen, für die der Garten ja nun gar nicht gebaut worden war, und die eigentlich von den Blumen ablenken konnten.

Nach wie vor strömten die Besucher; Nun, nicht mehr ganz so viele wie vor dem Mauerbau, aber dafür in geordneten Bahnen. Nach kurzer Zeit konnten die Grossschurzzwerge eine grosse Menge feinster weiß glitzernder Kieselsteine erwerben.

Im Rahmen eines prunkvollen Stiftungsfestes versammelten sich alle Grossschurzzwerge am Tor des Gartens und strahlten, wie ihre weißen Kieselsteine, die nun mit Ausnahme des Blumenfeldes in der Mitte den gesamten Innenraum bedeckten.

Mächtig stolz waren da die Grossschurzzwerge auf ihr Werk.

Und alles andere als unglücklich darüber, dass ihnen der Garten nun viel mehr Arbeit als zuvor machte (Zwerge sind derart fleissig, weil sie sich nur zwergenwert fühlen, wenn sie etwas zu tun haben). Alleine die regelmäßige, ja quasi dauernde Notwendigkeit, die Kieselsteine zu reinigen, auf dass sie so unvergleichlich strahlen und glitzern!

Weiterhin wurde der Garten eifrig besucht. Allerdings immer häufiger von Besuchern, die sich für die Kieselsteine interessierten. Was eben daran lag, dass es im Garten mittlerweile Viel mehr Steine als Blumen gab.

Und immer seltener verirrten sich ausschliesslich an Blumen interessierte Besucher in den Garten.

Es schien, als wenn überhaupt das Interesse an Blumen abgenommen hätte.

Schon mussten sich die Zwerge von einigen Besuchern anhören „Euer Garten ist eine Oase der Ruhe und Ästhetik!“ „Ihr habt ein Kunstwerk geschaffen! Wie viel Geduld dazu gehört, solch künstlerische Muster ins Steinbett zu harken!“ „ Ja, der Auszeichnung „Gepflegtester Garten von allen“ stände nichts mehr im Wege- wenn nur diese störenden Blumen da nicht wären! Die verderben ja leider den Gesamteindruck völlig!“

Das gab den Grossschurzzwergen nun wirklich zu denken. Einige wenige alte Zwerge wussten noch sehr genau, zu welchem Grunde der Garten damals eigentlich angelegt worden war. Das waren die gleichen alten Zwerge, die, wenn sie die Blumen besuchten, diejenigen Zwerge zur Weissglut brachten, welche das Kiesmuster stündlich zu harken hatten. (und damit ebenso das Unverständnis der Mehrheit der Zwerge auf sich zogen wie die wenigen Gäste, die nur um der Blumen willen den Garten aufsuchen wollten.)

„Wegen der paar Blumensucher sollen wir es uns mit den vielen anderen Besuchern verscherzen? Wo es doch unsere ureigenste Aufgabe ist, möglichst viele Gäste zu unserem Garten zu führen!“ So dachte die Mehrheit der Grossschurzwerge.

Man begrub aus Rücksicht auf die paar alten Zwerge des Gartens die Blumen nicht sofort unter Kieselsteinen,

Eine Zeitlang umrahmte man ganz besonders schöne Blumen auf Kosten etwas kleinerer… Aber letztendlich waren dann doch alle Blumen von einer besonders hübschen Kieselsteinart bedeckt.

Und der Erfolg schien den Grossschurzzwergen recht zu geben !

Aus dem „Geheimtip“ ihres Blumengartens entwickelte sich nun rasch ein vielbesuchter, hochgerühmter, allseits bekannter Anziehungspunkt für: Kies- Freunde.

Jahr um Jahr erhielten die Grossschurzzwerge die heissbegehrte Auszeichnung „Bestgepflegter Garten von allen!“ des Verbandes der Kieshändler!

Dem Besucher wurde aber auch Einiges geboten:

Musterreihen von blau-, rot-, ja goldgefärbten Kieselsteinen erfreuten nun das Auge des Gastes! Die Grossschurzzwerge entwickelten ihren Garten zu einem regen Forum des Austausches über alle Kies- betreffende Fragen.

(Der dabei auffallend freundliche Umgangston der Besucher untereinander freilich speiste sich noch immer aus der Kraft der Blumen unter dem gepriesenen Kies).

Nun, so hätte es wohl ewig weitergehen können.

Wenn nicht die oberste Führung der Zwerge den Grossschurzzwergen aus heiterem Himmel den Betrieb ihres Blumengartens und den Besuch desselben verboten hätte.

Blumen und alles, was damit zu tun hat, wurden plötzlich im ganzen Reiche verboten.

Da half es den Grossschurzzwergen nun gar nichts, darauf hinzuweisen, dass sie nichts mit Blumen zu tun hätten, weil ja in ihrem Garten keine einzige Blume zu sehen sei;

Zugegeben, in ihrem Namen käme aus für sie selbst nicht mehr nachvollziehbaren Gründen der Begriff „Blume“ vor – aber das könne man ja auch ändern….

Nein, nicht einmal dieses Zugeständnis half; Die oberste Führung der Zwerge hasste Blumen – und alles was je damit zu tun hatte oder sogar scheinbar zu tun gehabt hatte. Der Garten wurde geschlossen. Die Kieselsteine verloren ihren Glanz und ihre Strahlkraft. Aber: Sowenig wie Zwerge unsterblich sind, sind es auch oberste Zwergenführer.

So kehrten schliesslich die Grossschurzzwerge, die die Blumenhasserzeiten irgendwie überstanden hatten, zu ihrem Garten zurück. Sie krempelten die Ärmel auf, klappten ihre Grossschurze hoch und begannen, so gut sie es eben konnten, die Kiesdecke in ihrem Garten zu säubern. Denn es fehlte ihnen an Allem, um einen Kiesgarten wieder aufzubauen; Das Kieswerk war zerstört oder in fremden Händen und ihre Werkzeuge hatte man ihnen abgenommen.

Oh, es schwante ihnen: Mit diesen eingeschränkten Mittel würde man den Garten nie wieder so strahlend prächtig hinbekommen wie vor der bösen Zeit. Nichtsdestotrotz- Ans Werk ! Bald lag der Garten wieder ganz ansehbar vor ihnen. Bei der Neueröffnung freuten sich die Grossschurzwerge über zahlreichen Besuch- Aber die Freude hielt nicht lange an…

Die Ordnung von Kiesgärten hatte unterdessen scheinbar jeden Reiz für die Bewohner des Reiches verloren.

Wildwuchernde Dschungel waren es, die sich nun wachsender Beliebtheit erfreuten! 

So kamen die Grossschurzzwerge am Eingangstorzusammen und berieten, was denn nun wohl zu tun sei;

Einige sehr Junge unter ihnen (die schon heimlich wildwuchernde Dschungel besucht hatten) forderten keck, die Mauern des Gartens einzureissen, die Kieselsteine in alle Richtungen zu zerstreuen, das alte Schild zu verbrennen und alles dem Chaos der puren Wildnis zu überlassen!

Dieser Vorschlag wurde natürlich sofort von der überwiegenden Mehrheit als eines Grossschurzzwerges unwürdig zurückgewiesen und es kam zu einem wirklich zwergenunwürdigem Tohuwabohu unter ihnen.

Da erhob sich ein alter Zwerg.

„Beruhigt Euch, meine lieben Grossschurzzwerge:

Das Chaos kann nicht unser Ziel sein. Es ist unser Auftrag von alters her, dem Chaos mit Ordnung zu begegnen. Es scheint mir, dass wir nicht danach trachten sollen, das Chaos durch Ordnung auszurotten. Nun schaut auf unseren Garten; Einstmals angelegt, um Blumen, von denen eine besondere Wirkung ausgehen soll, zu schützen und auffindbar zu machen, liegt ein mittlerweile auch noch unansehnliches Kiesfeld vor uns. Wir haben mit unserer Ordnung das unkontrollierbar Lebendige zugepflastert.

Aber was ihr Jungen da fordert, führt dazu, dass vor lauter Wildnis niemand mehr die besonderen Blumen wird finden können.

Unsere Aufgabe ist es, den Suchenden den Weg zu den Blumen zu erleichtern.

Diener des Gartens sollen wir sein: Aber wir haben es masslos übertrieben, und sind so Herren einer Steinwüste geworden. Die Blumen sind unter unserer Ordnung verschwunden.

Das dieser Garten immer noch ein besonderer Ort ist, liegt nicht an uns. Das liegt nur an den Blumen. Legt die Blumen wieder frei! Lasst unsere Kieswege zu ihnen hinführen; nicht über sie hinweg!“

So sprach der alte Zwerg. Aber leider konnte er nicht vermitteln zwischen den Gruppen. Die Jungen Wilden Grossschurzwerge verliessen den Garten, um die pure Wildnis zu suchen-, während die absolute Mehrheit der Übrig Gebliebenenen hauptsächlich ihrem schönen, glänzendem Garten von früher nachtrauerte.

„Wenn unser Garten erst wieder so strahlend schön wie früher ist, wenn wir genug Geld gesammelt haben, um den schäbigen Kies hier mit den schönsten Kieselsteinen zu überdecken,dann werden schon wieder Besucher kommen !“

Und weil sie so fleißig und entschlossen waren, gewährte das Kieswerk ihnen einen großzügigen Kredit in Form erstklassiger Kieselsteine!

Da blieben auch Besucher nicht länger aus. Erst wenige, dann immer mehr kamen, die von der „puren Wildnis“ genug hatten und die perfekt anmutende Ordnung der Kieselsteine im Blumengarten der Grosschurzzwerge suchten.

Vereinzelt erschienen wieder Blumensucher. Die hatten selbst erfahren, dass es sehr schwierig ist, in der puren Wildnis auf Blumen zu stoßen. Auf dem mittlerweile goldbeschriebenem Schild über dem Eingang stand noch immer „Blumengarten der Grossschurzzwerge“ Also mussten da doch auch Blumen zu finden sein!

Und so geschah es (immer häufiger), dass nach Blumen Suchende mit den Händen, manchmal sogar mit eigens mitgebrachten Werkzeugen, den Kies beiseite gruben und Mitunter sogar Blumen freilegten!

Das missfiel nicht nur den Grosschurzzwergen; auch einige Besucher die nur wegen der steinernen Ordnung gekommen waren, beschwerten sich über die um sich greifende Unordnung und die Störung des schönen Gesamtbildes.

Also versammelten sich die Grossschurzzwerge wieder einmal zur Beratung am Tor zum Garten.

„Wenn wir zulassen, dass Blumensucher unseren Garten in Unordnung bringen, werden die Besucher, die wegen der kunstvollen Ordnung unserer Steinmuster kommen, abgeschreckt werden. Das können wir uns nicht leisten, weil wir für die Reinhaltung und Pflege der Kieselsteine auf ihre Eintrittsgelder angewiesen sind. 

Und ausserdem: Nur wenn wir den schönsten und ordentlichsten Garten präsentieren können, ist uns das Wohlwollen, ja sogar die Aufmerksamkeit der obersten Führung der Zwerge möglich!“

So sagten die Einen. Es gab aber auch einige durchaus ernstzunehmende Grossschurzzwerge, die Verständnis für die Blumensucher hatten: „Wir haben keine Mittel zur Hand gegen Besucher, die in unserem Garten nach Blumen graben; Denn zu Recht berufen sich jene ja darauf, dass auf dem Schild über dem Eingang „Blumengarten der Grossschurzzwerge“ steht, und dass das ja wohl eine Verheissung sei, in unserem Garten Blumen finden zu können, wenn man nur danach suche.“

Da erhob sich einer der jüngeren (einer von den Kiesinteressierten, die nach jahrelangem Besuch Aufnahme bei den Grossschurzzwergen gefunden hatte) und fragte: „Warum eigentlich heisst ein schöner Kiesgarten „Blumengarten“? Was haben sich die Altvorderen denn dabei gedacht? Kann es nicht sein, dass es sich um einen Übersetzungsfehler oder so handelt? Hier gibt es doch gar keine Blumen, solange wir den Garten in Ordnung halten! Ich beantrage deshalb eine Umbenennung in „Kiesgarten der Grossschurzzwerge“!“

Wenn man Eines den Grossschurzzwergen nun aber nicht absprechen kann, dann ist das: Respekt vor dem Altvorderen. Zudem gab es einige, die sich erinnerten, dass auf früheren Umbennenungensversuchen kein Segen gelegen hatte; Nein, so kam man auch nicht weiter. In ihrer Ratlosigkeit beschlossen sie, dass derjenige unter ihnen, der einen Weg aus ihrem Dilemma aufzeigen könnte, sofort zum „ehrwürdigsten Grossschurzzwerg“ ernannt werden sollte

Als hätte er nur darauf gewartet, erhob sich nun ein Zwerg, der sich zuvor ganz aus der Diskussion herausgehalten hatte:

„Meine lieben Grossschurzzwerge; erlaubt mir, unser Problem noch einmal zusammen zu fassen: Wenn wir die Blumen in unserem Kiesgarten wachsen lassen oder sogar selbst vom Kies befreien, dann werden sich die Freunde des schönen Steines mit Grausen von uns abwenden. Dann ist es bald vorbei mit unserem Garten!“

Zustimmendes Nicken der meisten Anwesenden.

„Andrerseits scheint die Zahl der Blumensucher zu wachsen. Einige von ihnen werfen uns vor, dass unser Aufwand für den Garten längst in keinem Verhältnis mehr steht zu dem, was man hier überhaupt noch an Blumen zu sehen bekommt. Wenn es nach diesen Blumensuchern ginge, wären unsere Kieselsteine nicht länger das Wichtigste in unserem Garten und müsste sich unsere Ordnung ausrichten an der Unberechenbarkeit der Blumen. Allein die Vorstellung ängstigt uns, nicht wahr?

Ein Schauder lief den Grossschurzzwergen über den Rücken.

„Aber, liebe Grossschurzzwerge, ist unser Problem in Wahrheit nicht ein blosses Begriffsproblem?

Aus alten Überlieferungen wissen wir doch, dass unsere Altvorderen mit Vorliebe mit dem Begriffe des „Symbols“ arbeiteten. Bis zum heutigen Tage sind auch wir es noch gewohnt, dass unsere Werkzeuge, mit den wir den Garten bearbeiten, immer auch Symbole sind, die auf „Höheres“ verweisen.

Das akzeptieren ja selbst die Besucher, die nur wegen des Kieses zu uns kommen.“

Das wurde von allen bestätigt.

„Und so haben wir einen Ausweg aus unserem Dilemma, so bekommen wir gegensätzliche Betrachtungsweisen elegant unter einen Hut:

  • Der einzelne Kieselstein ist nicht länger nur Zeichen, Ausdruck und Beweis unserer Ordnung -Nein!-
  • Der Kieselstein ist fortan kraft unseres Entschlusses ganz einfach auch das Symbol für die Blume!
  • Unsere Kieselsteine verweisen nicht mehr länger darauf, dass ihnen Blumen zugrunde liegen, sondern sie ersetzen sie symbolisch!
  • Die Kraft, die diesem Orte unleugbar innewohnt, erklärt sich fortan aus der Kraft unserer Ordnung!

Unseren Namen können wir nun guten Gewissens weitertragen. Denn unsere Steine stehen ja nun für die „Blumen des All-Einen“-um mich eines sehr alten Begriffes zu bedienen…

Wie hegen und pflegen sie, die Steine.

Ohne uns gäbe es diesen Garten ja nicht- Stolz und selbstbewusst können wir dem Besucher, der nach Blumen fragt, unseren Garten voller Blumensymbole präsentieren. Niemand muss mehr nach Blumen graben! Niemand wird unseren Stein, -pardon Blumengarten mehr in Unordnung bringen dürfen!“

Und Steine waren es, welche unseren Grossschurzzwergen nun von den Herzen fielen. Sogleich wählten sie diesen Zwerg zu ihrem „ehrwürdigsten Grossschurzzwerg“.

Angesichts der wachsenden Konkurrenz auf dem Kiesgartenmarkt entwickelte sich die Besucherzahl zufrieden stellend. Zufrieden waren die Kiesfreunde über die sich prächtig entwickelte Ordnung. Zufrieden waren die Blumensucher, die nun nicht mehr graben mussten und sich angesichts der Steine einfach die Blumen vorstellten.

Rührte ganz selten doch einmal einer von ihnen an den Kies, wohl ahnend, dass es etwas Kraftvolles unter der Kiesdecke geben könne, fand er sich sehr bald daran gehindert von einem Grossschurzzwerg, der ihn darüber aufklärte, dass sein Tun nicht nur verboten, sondern auch ganz unnötig wäre, da doch die Steine vor ihm als Zeichen für die Ordnung wie auch Symbole für die Blumen jede weitere Suche überflüssig machten.

Und selbst wenn bei manchem Blumensucher dabei unbehaglich war- Was konnte man Einem Gartenbesitzer-Grossschurzzwerg schon entgegenhalten? Jeder Suchende weiss, wie schwierig es ist, Ahnungen zu benennen. Ohne Blume in der Hand inmitten einer steinernen Wüste? – Wie kann man da erklären, dass etwas Kaltes, Hartes, Totes nicht Symbol sein kann für etwas Lebendiges oder gar für den ALL-Einen?

Na, aber solche Gedanken waren wirklich selten. Oder Zumindest übten sie keinen nennenswerten Einfluss auf die Ordnung des Gartens aus.

Hochgeehrt begab sich schliesslich der „ehrwürdigste Grossschurzzwerg“ in den Ruhestand. Er konnte zufrieden sein.

Ein Zeitalter der Zufriedenheit ging mit ihm zu Ende.

Wieder versammelte sich die Schar der Grossschurzzwerge an der Pforte zum Garten,um den Zwerg mit dem klarsten Zukunftskonzept zu ihrem neuen „ ehrwürdigstem Grossschurzzwerg“ zu wählen. Dies waren die Worte des einzigen Kandidaten:

„Liebe Grossschurzzwerge all!

Zufrieden sind wir. Aber reicht das aus in der heutigen Zeit? Können wir uns Zufriedenheit noch leisten? Nein! Das können wir nicht! Unsere Einnahmen decken grade eben die Ausgaben! Wie schön wären jetzt goldene Verzierungen auf unserer Mauer,-ein neues gusseisernes Tor-ein auffälligeres Schild über dem Eingang- lauter Dinge, die uns die wohlmeinenden Aufmerksamkeit der obersten Führer der Zwerge bescheren würden- …aber nein! Wir bekommen zu wenig Besucher!

Andere Steingärten erfreuen sich größerer Beliebtheit- Warum kommen die Besucher nicht mehr zu uns? Ich will es Euch sagen, meine Brüder: Weil wir zu kompliziert sind!

Unser ganzes Symbolgerede verschreckt doch nur unsere Gäste.

Und gebt es doch zu: Diese Symbolisiererei mit unseren Werkzeugen, dieser Verweis auf so genanntes „Höheres“ a la‘ Dies ist meine Harke, mit der harke ich den Kiesgarten, aber sie ist auch ein Symbol für das ewiges Gesetz, dass sich in der Abfolge Zinken/ Leerraum zwischen den Zinken widerspiegelt: KeinTun ohne Nichttun, und -Wahre Ordnung entsteht nur aus dem Zusammenspiel von Bearbeiten und Wachsen lassen-…ist Euch doch auch längst peinlich. So etwas will doch keiner hören. 

Und deshalb sage ich Euch: Lernen wir von anderen Gartenbetreibern !

Werben wir nicht länger mit dem müden Spruch „Unsere Steine sind Symbole für Blumen“! Ab heute sei unser Slogan: „Unsere Steine sind Blumen!“

Und weil er der Lauteste war und sich auch kein anderer mehr zu Wort meldete, Wurde er sogleich zum „ehrwürdigsten Grossschurzzwerg“ gewählt.

Das ist gar nicht lange her.

Doch….

Plötzlich finden sich wieder frisch aufgeworfene Steinhügel neben freigelegter Erde im Garten. Selbst freigelegte Blumen werden ausgemacht. Noch gelingt es den Grossschurzzwergen, sie wieder zu überdecken. Schon schütteln die ersten Kiesfreunde missvergnügt mit den Köpfen..

Und ein furchtbarer Verdacht beginnt unter den Grossschurzzwergen umzugehen:

Dass es neben den vermehrt auftretenden Blumensuchern sogar welche aus den eigenen Reihen, Grossschurzzwerge also, geben könnte,die freigelegte Blumen nicht sogleich wieder abdecken!

Und schlimmer noch: Die heimlich selbst beginnen, Blumen freizulegen! Weil sie wie die Blumensucher daran zu zweifeln beginnen, dass Steine Blumen sind. Grossschurzwerge, die nicht länger daran glauben, dass ihre Ordnung das eigentliche Mysterium des Gartens ist!

Nun, liebe Brüder, es ist Hochmittag.

Und die rechte Zeit, die Blumen von den Steinen zu befreien!

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