Gemeinsam singen – gemeinsam atmen – gemeinsam leben: Was es mit uns macht, wenn wir zusammen singen

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In unserem Ritual wird zu verschiedenen Anlässen und Zeitpunkten gesungen. Warum eigentlich? Auch vor Erfindung von CD und MP3 würde es doch eigentlich rituell genügen, wenn ein Bruder, der es kann, etwas singt oder geigt oder auf dem Klavier klimpert. Wir haben an mehreren definierten Stellen musikalische Einlagen im Ritual. Diese dienen der Kontemplation, um über gesagtes und erlebtes nachzudenken und zu -fühlen. Also einen inneren Moment von „seid wachsam auf Euch selbst“ zu ermöglichen. 

Das sollte doch eigentlich genügen. Zumal dieser Gesang dann wohl augenscheinlich, oder eher „ohrenscheinlich“, nicht der Kontemplation dient.

Warum dann selbst singen?

Gerade wenn man es nicht kann. Und alle anderen auch, nur wenig text- und melodiesicher, in unterschiedlicher Lautstärke und Tonhöhe vor sich hinmurmeln und brummeln. Das Erlebnis ist für Außenstehende wohl sehr schauderhaft. In einer Loge gibt es aber keine außenstehenden Zuschauer. Und das ist auch schon der erste Punkt. Wir sind kein Chor und auch kein Gesangsverein. Dies ist keine Darbietung für andere Außenstehende. Es wird nicht bewertet, und es gibt keinen Applaus. Es muss also auch keinem Publikum gefallen.

Warum also verlangt das Ritual von uns das wir Singen?

Und im Gegensatz zu dem wie diese unsere geliebte Loge es so handhabt ist das Singen in der Loge nicht fakultativ. Während bei Öffnung der Loge im Ritual der MvSt. noch wählen kann ob „ein Gedicht oder ein Gebet“ an dieser Stelle erfolgt so heißt es einen Satz später vom MvSt.:

Meine Brüder wir treten in die Kette und singen das Lied unseres Bundes  

Das ist eigentlich nicht verhandelbar. Ebenso wenig am Ende der Loge:

Ehe wir auseinandergehen wollen wir die Kette brüderlicher Eintracht schließen

Anweisung im Ritual: Musik, Kettenlied

Ihr seht, hier widersetzt sich unsere Loge ganz klar dem Ritual. Die Gründe hierfür waren früher wohl persönliche Befindlichkeiten einiger Brüder.
Meiner Meinung nach braucht es dicke Eier um das Gesamtkunstwerk

„Der rauhe Stein singt“

auszuhalten.

Allerdings ist die geöffnete Loge ein geschützter Raum. Das führt dazu, dass man sich hier zum kompletten Vollhorst machen kann, ohne Konsequenzen zu befürchten. Anekdote am Rand: Als wir vor längerer Zeit von Brüdern aus Österreich besucht wurden fiel vielleicht deren Melodiesicherheit auf. Das liegt daran, dass unser Bundeslied die österreichische Nationalhymne ist. Wenn auch ohne Text. Der Österreicher als solcher scheint also auch nicht gerne zu singen.

Aber zurück zum Problem. Warum war es für unsere Altvorderen so wichtig das wir als Loge gemeinsam singen? Gibt es da Gründe für, die sich uns nicht erschließen?

Wer singt den noch so?

Mal abgesehen von Musikern die damit Geld verdienen. Gesangsvereine und Chöre singen. Hier treffen sich Menschen um gemeinsam zu singen. Hier steht die Musikalität im Vordergrund und wohl auch das gemeinsame Erleben.

Und sonst?

Religion. Hier wird gemeinsam gesungen was das Zeug hält, egal ob evangelisch, katholisch, buddhistisch, hinduistisch, mosaisch oder islamisch. „Naturvölker“ singen gemeinschaftlich. Beachtlich bei dieser Aufzählung finde ich, dass der, die, das Götter wohl gerne Gesang hören und auch das Alter dieser ganzen Singerei. Hinduisten und Naturvölker haben schon gemeinschaftlich gesungen als sich noch kein Mensch Gedanken über Freimaurerei gemacht hat. Bei Naturvölkern steht das Singen im Mittelpunkt von Ritualen und Zeremonien, die die Gemeinschaft stärken und eine Verbindung zur spirituellen Welt herstellen.

Warum? Was bewirkt das gemeinsame Singen? 

Auf der obersten Ebene ist es wohl die Stärkung des Gemeinschaftserlebnisses. Gemeinsames Singen fördert ein starkes Gefühl der Zusammengehörigkeit und Verbundenheit. Es schafft eine gemeinsame Identität und stärkt soziale Bindungen.

Gemeinsames Singen hilft Traditionen zu bewahren und weiterzugeben. Es ermöglicht Menschen ihre Gefühle auszudrücken. Es kann Freude, Trauer, Hoffnung und viele andere Emotionen vermitteln.

Wodurch wird das denn nun eigentlich möglich?

Laut einigen Studien und wissenschaftlichen Untersuchungen liegt es einfach nur an der Tatsache, dass wir in einer Gemeinschaft durch das gemeinsame Singen von Liedern unsere Atmung aneinander angleichen. Das klingt jetzt nicht nach esoterischer Raketentechnik.

Aber was sind die Auswirkungen von diesem gemeinsamen Atemrhythmus auf mich persönlich?

Der gemeinsame Atemrhythmus setzt wohl eine Kettenreaktion in Gang, sagt die Wissenschaft weiter.  Durch das gemeinsame Atmen im Gleichklang synchronisieren sich unsere Herzschläge. Unsere Herzen schlagen im gleichen Takt.

Dies erzeugt ein Gefühl der Verbundenheit: Die gemeinsame Atmung und das Singen schaffen ein starkes Gefühl der Gemeinschaft und Zugehörigkeit. Dies kann das soziale Wohlbefinden und die emotionale Bindung innerhalb der Gruppe stärken.

Reduktion von Stress: Die koordinierte Atmung aktiviert den Vagusnerv, der eine beruhigende Wirkung auf den Körper hat. Dies kann den Blutdruck senken und das allgemeine Stressniveau reduzieren.

Verbesserung der Stimmung: Die synchronisierte Atmung und das gemeinsame Singen fördern die Ausschüttung von Endorphinen und Serotonin, was zu einer besseren Stimmung und einem gesteigerten Wohlbefinden.

Alles in allem ist das doch eine feine Sache und es scheint zu funktionieren. Immerhin macht es die Menschheit schon ziemlich lange auch ohne wissenschaftliche Untersuchungen.

Ich persönlich finde, wir sollten uns als Loge nicht gegen Tradition und gelebten Menschenverstand stellen. Wir sollten der Singerei wieder 2 kurze Lieder lang im Ritual Raum geben. Das ist nicht zu lang um es nicht zu überleben, aber anscheinend lange genug damit sich unsere Herzen verbinden.

Irgendwelche schon seit Jahrhunderten verstorbenen Brüder werden sich dabei schon etwas gedacht haben. Und ich persönlich mag den Gedanken das unsere Herzen verbunden sind.