Die Suche nach dem Licht

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Vorbemerkung: Das Dorf Altenwerder mußte in den 80er und 90er Jahren der Hamburger Hafenerweiterung weichen. Es existiert nur noch die Kirche des Dorfes, umgeben von einem alten Friedhof, dessen Gräber nach Ablauf der Mietzeit aufgehoben werden.

Die Suche nach dem Licht

Täglich zieht auf der A 7 von Süden nach Norden und Norden nach Süden eine Karawane von motorisierten Blechfahrzeugen durch den Hamburger Elbtunnel. Manchmal kommt auch dieser Strom im Stau zum Erliegen, und die Blicke können dann über den ewigen Horizont schweifen.
In diesen Momenten macht die Kirche von Altenwerder als stummer Zeitzeuge einsam im Osten neben der schwarzen Asphaltstraße im weißen Elbsand auf sich aufmerksam und erzählt von der vergangenen Zeit, vom Leben im Stein, dem Blick nach Osten, der Hände Arbeit in der sakralen Baukunst und der Suche nach dem Licht.

Historische Bauwerke sind unmittelbare Zeugnisse vom kontroversen Ringen um Sinngebung und authentische Selbstdarstellung von Gruppen und Individuen. Solange sie, wenn auch nur noch fragmentarisch, zugänglich sind, ermöglichen sie den direkten Kontakt mit den gestaltenden Kräften der Geschichte.
Als nach der geschichtlichen Zäsur der Völkerwanderung (um 375. n. Chr.) im neu sich bildenden Europa beinahe alles neu definiert werden muß, versuchen die jungen Staaten die antike Tradition aufzunehmen. In ihr erreicht das Mittelalter in moderner Interpretationsebene die völlige Gegenposition zur Antike und auch später die Rückkehr.
Die Signatur dieser Bauwerke ist das Neue, das von der Neuerung des nächsten Stils überholt und entwertet wird. Aber während das bloß Modische, in die Vergangenheit versetzt, altmodisch wird, behält das Moderne einen geheimen Bezug zum Klassischen.
Modern ist, was der Aktualität des Zeitgeistes zum objektiven Ausdruck verhilft; so erinnert der Grundriss vieler mittelalterlicher Kirchen an die menschliche Figur oder an ein Kreuz.
Der Chor ist der Kopf, das Querschiff sind die ausgebreiteten Arme und das Langschiff ist der übrige Körper. Westwerk und Chor als Gegenpole symbolisieren weltliche und kirchliche Macht. Im Hochchor demonstrierte der Kaiser weltliche Macht. Im Osten dagegen (Krypta und Chorraum) hatten Heilige ihre Grabstätte. Auch die Beziehung zwischen Krypta und Vierungsturm in der Senkrechten verkündete die Vergänglichkeit in die Tiefe und die Auferstehung in die Höhe. Das Gebet wurde in der Christengemeinschaft nach Osten zur aufgehenden Sonne gerichtet. In frühromanischen Gebäuden lag der Eingang im Osten und der Altar im Westen. Die Gemeinde mußte sich jedoch beim Gebet umdrehen und vom Altar abwenden. Im 4. Jh. wurde der Altar immer mehr als Symbol Christi gesehen und in der Grundrißlage nach Osten ausgerichtet. Das Portal im Westen war jetzt der Weg des Gläubigen durch das Tor des Himmels.

In der Romanik (950-1200. n. Chr.) folgten die Sakralbauten dem römischen Vorbild mit erdgebundenen, schweren Baukörpern, stumpfen Satteldach, oft bemalter Holzdecke und kleinen Rundbogenfenstern. In der Rivalität der weltlichen und geistigen Macht wurden ganze Bereiche der Kirche im Baukastensystem Zug um Zug erweitert, so daß Doppelchörigkeit, Rippengewölbe, Strebepfeiler mit Strebebogen und bis zu acht Kirchentürme gleichzeitig entstanden.
Durch die technische Fortentwicklung, die Kreuzzüge und die veränderte geistige Haltung bekommen die Heiligengestalten menschlichere Züge. In der Baukunst zeigt sich in den gotischen Kathedralen (1150-1500. n. Chr.) ein Höhen- und Auflösungsdrang. Der Grundriß verändert sich kaum, der Chor wird weiter ausgebaut und auf die Krypta wird verzichtet.
Die gotische Sakralkunst strebt mit dünnen Wänden, Pfeilern, Spitzbögen, Skelettbau, Strebewerksystem und vielen farbigen Glasflächen sowie Figuren der Bauplastik in einem lichtdurchfluteten Kirchenraum dem Himmel entgegen. Der Begriff Gotik wurde erst im 16. Jh. geprägt und ist gleichbedeutend mit barbarisch und fremdartig, obwohl sich die ersten Bauhütten in der Frühgotik aus dem 12. Jh. in Südfrankreich entwickelten und grandiose Meisterleistungen in der Architektur vollbrachten.

In den Baubruderschaften dieser Zeit waren tüchtige Werkleute, keine Philosophen, keine Initiierten im Sinne der Mysterienbünde. Der Zweck aller Bauhütten war die Ausbildung und Beschäftigung von Werkleuten, die nach einer Lehrzeit von drei bis fünf Jahren und nach einer Prüfung durch den Meister losgesprochen wurden. Bei der feierlichen zeremoniellen Lossprechung mußte der Geselle loben, das Kunstgeheimnis zu bewahren, gehorsam zu sein, auf die Ehre des Handwerks zu halten und sein Steinmetzzeichen nicht zu ändern. Dann wurde er in die Geheimnisse der Erkennungszeichen eingeweiht. Der Versammlungsort der Bauhütten wurde auch Lauben genannt. Laube oder Loge heißt Halle, Vorbau, Schutzhütte; damit zusammen hängt auch das Wort „glauben“, aus „glauben“, sich in einen Schutzbereich begeben. In den Bauhütten saßen die Zunftbrüder auf Bänken auf den beiden Längsseiten, während der Zunftmeister auf der Schmalseite einen Stuhl im Osten innehatte.
So arbeiteten die operativen Maurer im christlichen Abendlande mit alten und ehrwürdigen Traditionen am Bau der modernen Sakralgebäude, der Kirchen, Dome und Münster.
Durch Glaubensspaltung, unter den Einflüssen des 30- jährigen Krieges und der Lebensangst verödeten die Bauhütten und eine starke Plastizität in der Bauform entwickelte sich im Baustil. Im Barock gliedert nicht mehr das strenge Rechteck die Grundrisse. Das basilikale Langhaus wird mit dem runden Zentralbau verschmolzen.
Licht- und Schattenkontraste, Spiegelungen, Perspektiven, starke Farbgebung, prunkvoller Kirchenraum mit bewegten Dekorationselementen entstehen. Geschoßgliederung und wellenartig geschwungene Fassaden mit Dreiecksgiebel sind Stilelemente einer emotionalen Zeit. Während die frühbarocken Kirchen eher düster und monumental wirkten, waren die Kirchen des Spätbarocks hell, verspielt und mit vergoldeten Engeln überladen. Die Maler erzeugten mit raffiniert eingesetzter Perspektive die Illusionsmalerei. Flache Decken werden durch barocke Malerei zu unendlichen Höhen geöffnet.

Die Architektur begleitet also die Entwicklungsphasen der Gesellschaft mit dem Wandel ihrer Bautypen und -stile und ergänzt bzw. erweitert die historische Perspektive.
Warum findet man nun die Ausrichtung einiger Bauwerke nach Osten und warum wird in sakralen Bauwerken aller historischer Epochen die Gebetskonzentration, die Versenkung zelebriert?
Durch die innerliche Hinwendung im Raum wird eine kultische Handlung ein mystisches und magisches, in der Welt wirkendes Ritual.

So wie die Sonne im Osten aufgeht und im Westen versinkt, so hat in vergangener Zeit über Jahrtausende der große Strom der Morgenlandfahrer zahlreiche Menschen und Gruppen im Heer der Suchenden und Strebenden nach Osten getragen, um das ewige Licht der „Wahrheit“, lebendiges Feuer und göttliche Kraft zu finden. Es war eine Zeit, in der die Welt eine Scheibe war und sich alles um die Erde drehte.

Im Land der Pyramiden und Pharaonen bewegt sich das Denken der Religion um schwarz und rot, Leben und Tod, um Ra, den Sonnengott, Amon, den Lokalgott von Theben, Horus mit dem Falkenkopf; da ist Aton und Path, die löwenköpfige Kriegsgöttin Sechmet, die Kuhgöttin Hathor, die Himmelsgöttin Nut u. v. a. Einmal im Jahr erlebte das Volk den ganzen Mythos, Leid und Tod sowie Auferstehung des Osiris in den Mysterienspielen in Abydos, wo sich das Grab des Osiris befand.
Osiris wird von seinem neidischen Bruder Seth getötet, in einen Sarg gelegt und dem Nil übergeben. Isis macht sich auf die Suche nach Osiris, den sie in Byblos in Syrien findet, wo er inzwischen angespült war. In diesem Augenblick geschieht die jungfräuliche Empfängnis des Horus. Osiris kehrt ins Leben zurück und wird Herrscher im Jenseits als Überwinder des Todes. Horus bekämpft und besiegt Seth und wird Herrscher auf der Erde.
Um 1500 bis 700. v. Chr. hatte Ägypten die Vormacht in Vorderasien, im Jahre 671. v. Chr. gerät Ägypten unter assyrische und 525. v. Chr. unter persische Herrschaft. 332. v. Chr. erobert Alexander der Große das Reich. In dieser Zeit ging der Mythos der Isis und Osiris verloren und wurde in der Spätzeit in Horus wiedergesucht, aber nicht in dem Sohn der Isis und Osiris, sondern in dem Sonnengott, dem älteren Horusknaben. Am Uranfang war die Erde vom großen Urwasser bedeckt und ein Fels ragte hervor. Auf der Spitze des Felsens liegt ein goldenes Ei. Das Ei bricht auf, und heraus kommt ein göttliches Kind, Horus, der Sonnengott.

Isis, die göttliche Lebensspenderin, die Osiris zum Leben erweckte, jungfräulich den Horus gebiert, ist das Urquell des großen Geheimnisses, der Urmutter, der Magna Mater, denn das Rätsel des Lebens ist mit dem Rätsel des Weiblichen verbunden.
Die Verehrung des Weiblichen wird auch mit Ischtar im Babylonien, Demeter in Griechenland oder Venus in Rom vollzogen.

Ein nach Osten ausgerichteter religiöser Staatskult ist weit vor dieser Zeit im antiken Griechenland zu entdecken.
Hades, der Gott der Unterwelt hat Persephone, hatte die Tochter von Demeter, geraubt. Demeter sucht neun Tage nach der Tochter und erfährt von Helios, dem Sonnengott, daß Hades der Entführer war. Nach langer Selbsterkenntnis mit Sichbewußtwerden durch Sitzen auf einem rauhen Stein, dem „Stein ohne Lachen“ oder „Trauriger Stein“, verwandelt sich Demeter und wird Amme eines Menschensohnes im Palaste des Königs Keleos in Eleusis. Demeter legt den Königssohn jede Nacht in das Feuer, um ihm Unsterblichkeit zu geben. Die Königin entdeckt und verhindert die Weihe ihres Sohnes, so daß Demeter sich zu erkennen gibt und der Königssohn sterblich bleibt. Demeter fordert nach dieser Enttäuschung von den Menschen den Tempel der Demeter mit Wänden aus Gold und Silber in Eleusis zu bauen. Demeter zieht sich nach Fertigstellung des Tempels dorthin zurück, und die reiche Fruchtbarkeit der Erde geht mit dieser Zeit zurück. Zeus schickt Hermes, den Götterboten, zu Hades in die Unterwelt, um Persephone zurückzuholen. Hades gibt Persephone für die Lebenden frei, fesselt sie jedoch mit einem Granatapfel für ein Drittel des Jahres an sich.
Bis zu dreißigtausend religiöse Menschen von weither zogen 500. v. Chr. in Griechenland über einen Zeitraum von über tausend Jahren auf der „heiligen Straße“ von Athen nach Eleusis, um die Erfüllung von Freude im Leben und Hoffnung im Sterben zu erhalten und den Abstieg in die Unterwelt, den Tod der Persephone und ihre Auferstehung zu erfahren.
In dieser Zeit fanden Mysterienhandlungen im Mysterientempel mit drei Weihegraden im Frühling und September statt.
Nur ein freier, unbescholtener Bürger konnte mit Paten als Bürgen zu den kleinen Mysterien in Athen als Neophyt zugelassen werden. Ein Myste konnte nach 18 Monaten zu den großen Mysterien im Herbst in Eleusis gelangen, um Schauender, Epopte, zu werden. Neun Tage dauerten die Eleusinien an. Eingeweihte durften nicht über die Geheimnisse sprechen.

2000. v. Chr. zog ein Strom von nordischen Stämmen mit polytheistischen Eigenschaften in das persische Hochland und Indien ein. In Indien ist in dieser Zeit der Gott Mitra zu finden. Im Iran ragt der vergleichbare Sonnengott Mithras hervor. Die Geschichte des Mithraismus ist mit vielen Wandlungen verbunden. Alexander der Große vereinte durch seine Feldzüge viele Völkerschaften, so daß eine Durchmischung von Geistesströmungen stattfand. Der Mithraismus drang somit bis in das Abendland vor und wurde von römischen Soldaten bis Spanien und Britannien weitergetragen. Der Mithraskult war ein reiner Männerbund im Kampf für das Licht und gegen die Dunkelheit, und wurde von den Legionen Roms als militante Religion mit heroischem Charakter bis 313. n. Chr. getragen und ausgeübt. Der Kult wurde in meist unterirdischen Mithrastempeln mit max. 80 Menschen gelebt. Im Osten des Tempels befindet sich der Altar mit sieben Stufen, der die sieben Sphären symbolisiert. Im Westen des Tempels lag der Eingang und auf den Schmalseiten des Tempels standen Bänke aus Stein.
Mithras tötet in der Kulthandlung den Stier. Symbolhaft schreitet hier der Mensch durch die Materie und überwindet die Stofflichkeit. Aus dem getöteten Stier sprossen aus dessen Leib alle Kräuter und Pflanzen der Erde, Getreide aus seinem Rückenmark und aus seinem Blut der Weinstock hervor. Im Mithraskult erhält die Symbolik besondere Bedeutung; so finden wir zwei Fackelträger mit gekreuzten Beinen, die zwölf Tierkreiszeichen, den gestirnten Himmel, das Fest der Lichtgeburt am 25. Dezember oder die sieben Weihegrade, denen sieben Tore zugeordnet sind. Am achten Tor steht der Hüter der Schwelle als Symbol für Tod, Ver- wandlung und Unendlichkeit.
Im 4. Jh. n. Chr. endet der Mithraismus, ohne den kommenden Retter oder das „Heilland“ zu erleben.

Als Reformator des Mithraismus tritt 600. v. Chr. Zarathustra in die Zeitgeschichte und proklamiert die reine Lehre von Selbstdisziplin, Selbstkritik und Selbsterkenntnis im Mazdaismus oder Parsismus mit den drei Lichtsäulen „gute Gedanken, gute Worte, gute Werke“, den alleinigen Gott und den Herrn der Finsternis, Ahriman. Das Gute wird das Böse besiegen. Das Licht und das Feuer werden als das Symbol des Guten und Reinen verehrt. So werden die Kinder bei der Taufe über den Rauch des Feuers gehalten. Am Ende der Zeit müssen Gute und Böse durch den Feuersee in das „Heilland“ übergehen.
Der Mazdaismus lebt heute in einer kleinen Anhängerschar in Indien und Iran fort.

Ein Zeitgenosse Zarathustras im 6. Jh. v. Chr. war der weitgereiste Pythagoras. Nach Meinung von Pythagoras sollten auf dem Weg zum Licht nur die Edelsten und Besten an der Spitze eines Staates das Volk führen. Maßhaltigkeit, Polarität (Gerade und Ungerade, Rechts und Links, Oben und Unten, Männlich und Weiblich) und Zahlenmystik mit Mathematik und Musik standen im pythagoräischen Denken im Vordergrund. Die vier als erste Quadratzahl war für die Pythagoräer heilig, auch die Summe der ersten vier Zahlen, die zehn. Der Orden des Pythagoras kannte drei Einweihungsstufen und den vierten Grad der geheimen Wissenschaft. Die geheimen Meister regierten den Orden. Der Aufnahmesuchende wurde sorgfältig ausgewählt und mußte eine bestimmte Zeit schweigen. Luxus und Ausschweifungen waren verpönt. Das Vermögen wurde der Bruderschaft übergeben. Die Mitglieder waren durch eine enge Gemeinschaft verbunden.
Den Tempel betrat die Bruderschaft von rechts und verließ ihn nach links.
Auch der in Athen lebende griechische Philosoph und Wissenschaftler Anaxagoras lieferte im 5. Jh. v. Chr. bedeutende neue Strömungen. Die Sonne ist für ihn kein göttliches Wesen, sondern ein glühender Ball. Ihm gelingt die Differenzierung zwischen Geist und Materie.
In der Trilogie darf Hermes Trismegistos („der dreimal größte“), der verstand, eine Glasröhre mit einem geheimnisvollen Siegel luftdicht (hermetisch) zu verschließen, nicht vergessen werden.
Hier handelt es sich um den altägyptischen Gott Techuti oder Thot, den die Griechen mit ihrem Hermes verglichen. Diese ägyptischen Götter sind vier Götterpaare und werden in Techuti-Thot vereinigt. Womöglich ist in den Göttern ein Priester zu suchen, der zwischen 3000 und 2000. v. Chr. gelebt hat. Auf einem Relief steht Techuti mit dem Ibiskopf bekleidet vor Pharao Sethos I. In der linken Hand hält er zwei Stäbe, die jeweils von einer Schlange umwunden werden. Mit der anderen Hand legt er dem Pharao ein Henkelkreuz der Verschwiegenheit auf den Mund.
Ähnlich wie bei den Pythagoräern bekommt die Zahl vier eine besondere Bedeutung. Pythagoras hat über 20 Jahre seines Lebens in Ägypten verweilt. Der bedachtsame Mantelpavian und der weise Ibis sind die heiligen Tiere. Als Symbol der Sonne, des Lichtes und des Lebens ist ein Kreuz mit gleichschenkligen Balken, in dessen vier Feldern zwei Striche angebracht sind, zu finden. Schlange und Stab führen zur „Macht der Weisheit“ zusammen.
Der Stab, das Zeichen der Herrschaft, führt in die Geheimnisse des Lebens ein. Hermesstab, der Stab, der die Mysten zum Tempel von Eleusis führt, und Mosesstab wiederholen die Geschichte.

427. v. Chr. wurde Platon geboren, der mit der Liebe zur Weisheit den Staat aus dem Elend und der Ungerechtigkeit befreien wollte. In den Wirren der Zeit um Sparta und nach dem Tod von Sokrates gründete er eine Akademie für echte philosophische Männer. Platon verstand die zahlreichen mystischen Strömungen der Morgenlandfahrt mit wissenschaftlicher Genauigkeit zu untersuchen und die Weisheiten und Erkenntnisse in einfachen und sinnlichen Wahrnehmungen mit Bildern zu formulieren und neue Impulse zu geben. Nach seinen Erkenntnissen ist in allem Gewordenen ein ewiges Seiendes. So besteht zwischen der Schönheit selbst und den schönen Dingen oder dem Sein zu den seienden Dingen ein Gegensatz.
Im unvergeßlichen Höhlengleichnis schilderte Platon die Idee eines Gefangenen, der in eine neue Welt dem Licht entgegengeht und wieder in die alte Welt zurückkehrt, um einen anderen Gefangenen zu befreien und dadurch die Wahrheit und das wahre Licht erkennt.
Die Höhle als Symbol der Gebärmutter und der Wiedergeburt .
Platon formulierte in der Geometrie („die fünfte Wissenschaft“), eine der sieben freien Künste, die Erkenntnis des ewig Seienden und die Idee, den Menschen zum Guten und Schönen zu führen, denn Linien, Flächen, Körper sind seines Erachtens nach vollkommene Gebilde.
Marc Aurel und Seneca führen diese tiefen und geistigen Strömungen in der Stoa weiter.

Der nächste Abschnitt ist der Bedeutung der Religionsgemeinschaft der Juden gewidmet, ausgehend vom Volk Israel in Ägypten um 1400. v. Chr. in der langen Wanderung nach Osten.
Moses, aufgewachsen auf dem Hof eines ägyptischen Pharao, führte das Volk Israel aus der Sklaverei an den Fuß des Berges Sinai, wo er das Licht Gottes empfing (Fiat Lux – Es werde Licht). Die heilige Schrift aus dieser Zeit liegt vor im Alten Testament und in der Thora, dem ursprünglichen Gesetz des bildlosen Gottes. Im Talmud sind die Erkenntnisse und Lehren überliefert.
Die ersten Könige Israels hießen Saul, David und Salomo, die drei Religionsparteien vereinten. Die Sadduzäer aus gehobener Priesterschicht kannten nur die reine Lehre von Gott, während die Pharisäer die Schriften auf die Zeitentwicklung angleichen und modifizieren wollten. Die Essäer lebten ehelos in einer Mönchsgemeinde in Gütergemeinschaft mit heiligen Mahlzeiten, reinigenden Taufen, Schweigeübungen und tiefer Frömmigkeit. Blutige Opfergaben lehnten sie ab. Die Lehre von den zwei Wegen vom Geist des Lichtes und dem Geist der Finsternis sind die wichtigsten Überlieferungen der Essäer.
Nach Streitigkeiten untereinander zerfällt das Reich in Israel und Juda, und nach zahlreichen Kriegen konnten die Juden erst 538. v. Chr. nach Palästina zurückkehren.
Die Fremdherrscher wechselten von Alexander dem Großen, Pompeius, Herodes dem Großen bis Titus und beendeten den ersten jüdischen Staat.
Johannes der Täufer rief die Juden zur Tugend, Frömmigkeit und Gerechtigkeit auf, reinigte die Seelen im Jordan mit Wasser und brachte sie dem ewigen Licht näher. Jesus von Nazareth, ein Mensch aus Fleisch und Blut, ließ sich von Johannes taufen und zieht vor dem Passahfest nach Jerusalem, um am Tempelberg den Menschen das „Heilland“ und die Lichtbotschaft aus dem Göttlichen von Licht, Liebe, Harmonie und kosmischer Ordnung zu verkünden.
Durch Kreuzigung und Wiederauferstehung nimmt Jesus in chaotischer Zeit als Erlösungsopfer die Sünden der Menschheit auf dem Höhepunkt der gnostischen Bewegung auf sich. Paulus verbreitete 25 Jahre nach dem Kreuzigungstod die Lehren für die christliche Gemeinde und das Christentum.
Die große und mystisch- religiöse Bewegung der Gnosis oder Erkenntnis, die mit Alexander dem Großen in dem Aufeinandertreffen des Hellenentums mit dem Orient entsteht, sucht den Ausweg aus der Not und Enge der Zeit der Völker. Die Mysteriensprache dieser Zeit ist in der Gnosis sehr symbolreich. Der Mensch soll auf dem Wege aus der geistigen Welt in die Materie durch sieben Sphären , durch sieben Himmel hinabsteigen, um gleichzeitig sieben Gewänder zu empfangen, welche die geistige Mitte einhüllen. Zurückkehren wird der Mensch in die geistige Welt, wenn er seiner heiligen Mitte nicht vergißt. Er muß die „Goldene Rose“ im Inneren seines Wesens erkennen. Der Lohn liegt in der „Mittleren Kammer“ sieben Stufen über dem musivischen Pflaster des Tempels. Die hellenistischen Mysterien waren Paulus bekannt und konnten so Bezüge zum Christentum und zum Neuen Testament finden.

Auf geistiger Ebene reifte im Hellenismus bis in die römische Kaiserzeit von Marc Aurel 180. n. Chr. die Stoa mit dem denkenden Menschen, dem Begriff der Humanität und der Lehre von der Ethik. Neben der Akademie von Platon entwickelten sich die Institutionen Peripatos, Garten des Epikur und die Stoa (Säulenhalle) des Zenon in Athen, um damit den Gedankenstrom der Stoa für die Nachwelt zu erhalten.
Der Stoiker zielt auf die große göttliche Ordnung mit dem allmächtigen Baumeister aller Welten, die Ruhe und Veredelung der Seele, die Geborgenheit im Kosmos und die Übereinstimmung mit der Natur.

Augustinus führt 354. n. Chr. den Neuplatonismus und die Christenbotschaft zusammen und begleitet so die Lichtsucher aller Zeiten nach dem Ewigen Osten zu neuen Erkenntnissen.
Benedikt von Nursia bereichert das Christentum im 6. Jahrhundert in der Gemeinschaft der Suchenden um das Geheimnis des Lebens „Ora et labora“, nachdem er drei Jahre als Einsiedler in einer Höhle die ersten Stufen des Erkenne- dich- selbst, des In- sich- Schauens und der Hinwendung zur Bruderschaft mit dem Blick nach oben erfahren hat. Benedikt gründete zwölf Klostergemeinschaften der wahrhaft Gottsuchenden mit Bildungsauftrag, und wird mit seiner Regula zum Gründer des abendländischen Mönchstums mit der Hingabe zu Gott.
Der Tagesablauf der Mönche war straff geregelt, sogar die Mahlzeiten wurden mit einem Hammerschlag begonnen und auch beendet. Ähnliche Rituale waren auch in der antiken und mittelalterlichen Baukunst zu finden.

Im 13. Jahrhundert begegnen wir Franziskus von Assisi. In der Zeit der Inquisition, der Kreuzzüge, des Glaubenseifers und Fanatismus, der Auseinandersetzung zwischen geistlicher und weltlicher Macht, der Gewinnsucht, der Scholastik und der himmelstrebenden Dome überzeugt Franziskus von Assisi durch die religiöse, die heilige Armut und nicht durch den Glanz und den Prunk der Kirche. Er entfloh nicht der Welt in die klösterliche Beschaulichkeit, sondern wendete das Mönchstum zur Religion der Tat in der Öffentlichkeit. Die Gegenströmungen in dieser blühenden Geisteswelt der toleranten und romfreien verinnerlichten christlichen Richtungen schwollen in dieser Zeit an. Der Vernichtungskampf der römischen Kirche gegen Ketzer führte zur Ausrottung des Templerordens und des Ordens der Albigenser, einer Gruppe der Katharer, welche die Rückkehr zur reinen Lehre des Meisters von Nazareth erstrebten. Ihr Kultusmysterium war nicht das christliche Kreuz, sondern der Gral, und die Gralsritter trugen eine Taube als Abzeichen auf ihrem Mantel. Der Gral wird verbunden mit uraltem Wissen und Weistum, daß aus dem vorderen Orient über Italien und Spanien bis Südfrankreich und in den keltischen Raum vorgedrungen ist.
Der Gral ist ein Gefäß, das einen großen Glanz verbreitet, heller als Sonne, Mond oder Sterne. Er ist aus reinem, feinen Gold und mit Edelsteinen bestückt. Im Gral ist das Speisungswunder enthalten als einzige Speise für den Alten König. Der Gral ist aber auch das Gefäß, das Jesus beim letzten Abendmahl benutzte, um seinen Jüngern den Wein zu reichen. In dem Gefäß befindet sich das Blut von Jesus, das Josef nach der Kreuzigung in dem Kelch auffing, nachdem er von Pilatus den Leichnam Jesu erhalten hatte. Im Turm der Versenkung wurde Josef aus dem Kelch gespeist. Der Gral wird von Wolfram von Eschenbach als Stein himmlischer Herkunft beschrieben, der die Gralsritter ernährt und jeden Karfreitag in seiner Kraft durch eine Taube vom Himmel erneuert wird. Der Gral ist ein unaussprechbares Geheimnis, kein irdisches Gefäß. Die Geschichte vom heiligen Gral setzt sich im 19. Jh. in Richard Wagners „Lohengrin“ im unzugänglichen Wald in einer Burg fort. Parzival und Dante verirren sich in diesem Walddickicht. Parzival kann ein Gralsroß besteigen und am Abend die Burg betreten. Er hat in dieser Nacht geheimnisvolle Erlebnisse. Am Morgen ist die Burg verschwunden.

Im 17. Jahrhundert tritt Amos Comenius, Theologe, Philosoph und pädagogische Reformer in Erscheinung, sucht die Beziehung zum Ganzen (Pan) und vollendet den christlichen Humanismus. Der Mensch muß alles betrachten, was er unter sich, um sich und über sich hat. Der Mensch mu ein „Pansophus“ werden, der um das Ganze weiß, um sein Was, sein Woher und sein Wohin. Der Dunkelheit der Welt kann man nicht durch rationale Wissenschaft begegnen, vielmehr aber durch Erziehung, Bildung und Aufklärung.
Amos Comenius war über die Fackel des Geistes mit dem Rosenkreuzertum verbunden. Der Begründer dieses Ordens soll zur Zeit der Gralstradition ein Christian Rosenkreutz gewesen sein (1378 bis 1487. n. Chr.). Die geheimnisvolle Rose als Sinnbild der Liebe Gottes ziert seit Ewigkeit das Kreuz der Wahrheit, das Schöpfungskreuz, das mit seinen beiden gleichlangen Balken die Polarität des Lebens, die Harmonie aus dem Göttlichen symbolisiert. Die um diese Rose und das Kreuz wußten, waren Rosenkreuzer, Meister des Todes und des Lebens, ohne Erkennung und Vereinsabzeichen und mit dem stillen Wirken.
Die Kunde von der gesegneten Bruderschaft des Ordens vom Rosenkreuz sollte im 17. Jh. durch den Reorganisator Valentin Andreae auferstehen.

In England taucht ein berühmter Name auf, Elias Asholme (1617 bis 1692. n. Chr.), Altertumsforscher, Advokat, Hauptmann und Mitglied der königlichen Sozietät. Ashmole gründete als erster „spekulative Maurer“ 1646 den Rosenkreuzer-Orden.
Kühne Gedanken der Toleranz, Gedankenfreiheit, zeitlose und überkonfessionelle Wahrheit wurden teilweise in Geheimbünden Versammlungen entwickelt bzw.gepflegt.

Zu Beginn wurde in kurzen Zügen der Strom der mittelalterlichen Bauhütten geschildert, mit dem Versuch, das Leben in den Bauhütten im 16. Jh. aufrechtzuerhalten. Der Wandel vom „operativen Maurer“ zum „spekulativen Mauer“ war eingeleitet. Man könnte nun annehmen, daß der Strom der Rosenkreuzer und der Strom der Freimaurer zusammenfließt. Hier gehen die Meinungen jedoch auseinander. Sicher ist, daß die Freimaurer nach dem Untergang der Bauhütten zum Johannesfest des Jahres 1717 in vier kleinen Logen zusammenfanden und den Zusammenschluß in der „Großloge von London und Westminster“ vollzogen. Von 1720 bis 1723 erarbeitete James Anderson das Grundgesetz der Bruderschaft. Die Logen wuchsen mit bedeutenden Persönlichkeiten unter den Idealen der Toleranz, Wahrheit, Menschenliebe und Humanität und fanden ihre Ausbreitung auch auf dem neuen Kontinent.

Wie die Freimaurer und Rosenkreuzer befreiten sich im 18. Jh. viele Geister von der kirchlichen Bevormundung und entdeckten die Religionen und Philosophen aus dem Osten mit der Suche nach dem Licht und der Wahrheit in den Schriften Buddhas, Laotses, Konfutses u. v. a, so daß der Strom der neuen Lichtsucher nach dem Osten ständig zunimmt und neue Synthesen erzeugt.

Nur ein kleiner Ausschnitt der Morgenlandfahrer in den historischen Epochen konnte in dieser Betrachtung dargestellt werden. Viele Denkansätze und Interpretationsversuche zur Welterklärung und Orientierungsfunktion sind jedoch in den Seitenarmen der Geschichte verschwunden. Dennoch geht aus den bekannten geschichtlichen Ableitungen hervor, daß viele kulturelle Übereinstimmungen bestehen und die „Suche nach dem Licht“ die Suche nach der Geschichte, dem Ursprung der Gottheit, der Entstehung der Welt, Erschaffung und Erlösung der Menschen mit göttlichen Wesen im Himmel, auf der Erde und in der Unterwelt ist. Das Ziel ist die Vervollkommnung sowie die Sicherung eines glücklichen Jenseitsgeschicks ohne Beweis und Urteil.
Für die innerliche Hinwendung mit Versenkung werden in den sakralen Bauwerken stete Wiederholungen oder kultische Handlungen im rituellen Vollzug ausgeübt.

Dieser Mythos ist noch gegenwärtig und schützt die Kirche von Altenwerder vor dem Abriß. Das letzte Gebäude dieses Stadtteils wird zum bizarren Mahnmal des geschichtlichen Wandels einer expandierenden Hafenstadt.

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Ursprungsnachweise und verwandte Literatur:

  • Erinnerung an den verstorbenen Prof. Dr. Meyer- Bruck und seinen bemerkenswerten Lehrunterricht in der Baukunstgeschichte
  • dtv- Atlas zur Baukunst, Band 1 und Band 2
  • Siegfried Lenz, Deutschstunde/ Der Mann im Strom/ Das Vorbild
  • Roland Edighoffer, Die Rosenkreuzer
  • Rene Le Forestier, Die templerische und okkultistische Freimaurerei im 18. und 19. Jahrhundert (Erstes bis viertes Buch)
  • Albert Camus , Der Mythos von Sisyphos ( Versuch über das Absurde)
  • Erwin Zippert , Die große Befreiung
  • Dr. Erik Peters, Die große Morgenlandfahrt
  • Robert de Boron, Die Geschichte des Heiligen Gral
  • Appel/ Oberheide, Was ist Freimaurerei?
  • Die Alten Pflichten von 1723
  • Hans-Joachim Schoeps, Religionen, Wesen und Geschichte
  • Thomas Klemm, Der Mythos der Templer
  • Erinnerung an die Bewohner von Hamburg-Altenwerder
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