Richard Wagner – sein Leben und seine Werke

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Richard Wagner wird am 22. Mai 1813 als neuntes Kind des Gerichtsangestellten am Stadtgericht Leipzig und Freimaurers Friedrich Wilhelm Wagner und seiner Ehefrau Johanna geboren. Bereits sechs Monate später verliert Richard Wagner seinen Vater, der an den Folgen einer Verletzung verstirbt, die er sich während seiner Teilnahme an der Völkerschlacht bei Leipzig zugezogen hat. Richard Wagners Bruder Julius wird nach dem Tod des Vaters vorübergehend in ein Dresdner Erziehungsinstitut der Freimaurer gebracht. Fünf Monate später heiratet seine Mutter den Schauspieler, Sänger, Dichter und Maler Ludwig Heinrich Christian Geyer, Mitglied der Freimaurerloge „Ferdinand zur Glückseligkeit“ in Magdeburg. Der Stiefvater wird von Richard Wagner später als sein eigentlicher geistiger Vater bezeichnet. Aber auch dieser stirbt bereits im Herbst 1821, so daß Richard Wagner mit acht Jahren wieder vaterlos ist. Nun ist seine Mutter alleinerziehend. Sie wohnen am Brühl in Leipzig in unmittelbarer Nähe des „Alten Theaters“. Auf diese Weise kommt der Junge früh mit Theater und Theaterleuten in Verbindung. Drei seiner älteren Schwestern, die später zeitweise den jüngeren Bruder finanziell unterstützten werden, haben als Schauspielerinnen und Sängerinnen die Bühnenlaufbahn eingeschlagen. Der Ehemann seiner Schwester Rosalie, sein Schwager Prof. Oswald Marbach, wird 1844 Freimaurer und ist 30 Jahre lang Meister vom Stuhl der Loge „Balduin zur Linde“ in Leipzig.

Nach dem Tode des Stiefvaters zieht die Familie nach Dresden. Richard Wagner besucht hier die Kreuzschule und erlebt dort eine Aufführung des „Freischütz“ unter der Leitung von Carl Maria von Weber. Er ist von der Musik und dem Dirigenten so beeindruckt, daß er sich wünscht, auch einmal so dazustehen und die Menschen mit Musik zu beeindrucken. Durch das Literaturstudium der Werke von E. T. A. Hoffman und Shakespeare wird er angeregt, kleine Dramen im Stile von Ritterstücken zu schreiben.

Die Familie Wagner kehrt nach kurzer Zeit nach Leipzig zurück. Hier besucht Richard Wagner zunächst die Nikolai-Schule. Das Erlebnis von Beethovens 5. und 7. Sinphonie sowie des „Fidelio“ bestärken ihn in seinem Entschluß, Musiker zu werden. Er wechselt zur Thomas-Schule, die er 1831 als 18-jähriger ohne Abitur verläßt. Mit Ausnahmegenehmigung darf Richard Wagner sich zum Studium der Musik an der Leipziger Universität einschreiben. Von dem damaligen Thomas-Kantor Theodor Weinlig erhält er Musikunterricht.

Es folgen bewegte Jahre: 1833 ist er Chordirektor in Würzburg, 1834 Kapellmeister in Magdeburg, Die Aufführung seiner Oper „Das Liebesverbot“ endet in Magdeburg mit einem Mißerfolg. Mit Freikarten besucht Richard Wagner in Magdeburg Konzerte, die von den Logen „Ferdinand“ und „Harpokrates“ veranstaltet werden. Am 10.1.1835 führt er im Magdeburger Logenhaus seine Ouvertüre „Zu den Feen“ auf. 1836 heiratet er die Schauspielerin Minna Planer und geht als Kapellmeister nach Königsberg, ein Jahr später nach Riga. Hier flieht er mit seiner Frau vor Gläubigern in einer abenteuerlichen Fahrt auf einem Segelschiff über London nach Paris. In Paris setzt er die bereits in Königsberg und Riga begonnene Arbeit an seiner ersten Oper „Rienzi“ fort. Die Jahre in Paris hat Richard Wagner später als seine Hungerjahre bezeichnet. Auf der einen Seite wird er mit der bürgerlich-kapitalistischen Gesellschaft, den Bankiers (Rothschild) konfrontiert und erlebt auf der anderen Seite die Armut des Volkes. Hier macht er auch die Bekanntschaft mit Heinrich Heine, von dem er Material für den „Fliegenden Holländer“ und „Tannhäuser“ übernimmt. Außerdem lernt er Franz Liszt kennen, der 1841 in die Frankfurter Freimaurerloge „Zur Einigkeit“ aufgenommen und in der Berliner Loge „Zur Eintracht“ befördert und erhoben wird.

1842 kehrt er nach Dresden zurück, wo die Uraufführung seiner Oper „Rienzi, der letzte der Tribunen“, eine große, tragische Oper in fünf Aufzügen, nach dem gleichnamigen Roman des Freimaurers Lord Lytton (Edward George Bulwer, London 1803 – 1873), ein ungeheurer Erfolg wird. Es wird berichtet, daß die Uraufführung von abends 18 Uhr bis Mitternacht gedauert hat. Später kürzt er die Oper mehrere Male.

Richard Wagner, der ursprünglich Dichter werden will, schreibt seine Libretti selbst. Das Gebet des Rienzi in seiner gleichnamiger Oper spiegelt so auch ein wenig den von Flucht, Wanderleben und Entbehrungen gezeichneten Gemütszustand Wagners wider:

Allmächt?ger Vater, blick? herab,
hör mich im Staube zu dir flehn!
Die Macht, die mir dein Wunder gab,
laß jetzt noch nicht zu grunde gehn!

Du stärktest mich, du gabst mir hohe Kraft,
du ließest mir erhab?ne Eigenschaft,
zu helfen dem, der niedrig denkt,
zu helfen, was in Staub versenkt.

Du wandeltest des Volkes Schmach
zu Hoheit, Glanz und Majestät:
o Gott, vernichte nicht das Werk,
das dir zum Preis errichtet steht!

Ach, löse Herr, die tiefe Nacht,
die noch der Menschen Seelen deckt!
Schenk uns den Abglanz deiner Macht,
die sich in Ewigkeit erstreckt!

Mein Herr und Vater, o blick? herab,
senke dein Auge aus deinen Höh?n:
mein Gott, der hohe Kraft mir gab,
erhöre mein tief inbrünstig‘ Fleh?n!

Bereits ein Jahr später, 1843, wird Richard Wagner wegen des großen Erfolges der Uraufführung des „Fliegenden Holländers“ zum königlich-sächsischen Kapellmeister ernannt und damit Nachfolger von Carl Maria von Weber. Was er sich als Junge erträumt hatte, wird nun Wirklichkeit. In den Jahren 1845 – 1847 arbeitet er an den romantischen Opern „Tannhäuser und der Sängerkrieg auf der Wartburg“ und „Lohengrin“.

Seit der Pariser Revolution von 1848 hofft Wagner auch in Deutschland auf eine neue, anarchistisch-kommunistische Gesellschaftsordnung – wir würden heute wohl eher sagen eine liberal-sozialistische Gesellschaftsordnung. Er beteiligt sich 1849 am Dresdner Volksaufstand. Nach dessen Scheitern steckbrieflich gesucht, entkommt er mit Hilfe von Franz Liszt über Weimar nach Zürich. Hier begegnet ihm Mathilde Wesendonk, die Gattin eines wohlhabenden Kaufmanns, in dessen Hause er Aufnahme findet. In der Schweiz arbeitet er an verschiedenen Kunstschriften sowie musikdramatischen Dichtungen und beginnt seine theoretisch-publizistische Vorbereitung des Musikdramas (Das Kunstwerk der Zukunft – 1850; Oper und Drama – 1851; Text zum Ring des Nibelungen – 1853). Die Liebe zu Mathilde Wesendonk inspiriert Richard Wagner zur Komposition der „Wesendonkschen Lieder“ nach Gedichten von Mathilde Wesendonk. Seit 1854 beschäftigt er sich mit der Lektüre Schopenhauers. Ferner komponiert er in der Schweiz „Tristan und Isolde“ 1859 und plant bereits den „Parsifal“ als eine Art Selbstbiographie. In die Schweizer Zeit fällt auch Richard Wagners Freundschaft mit Nietzsche, die später in eine grundsätzliche Gegnerschaft umschlägt.

Nach seiner Amnestisierung 1861 kehrt er über vorübergehende Aufenthalte in Italien und Österreich (Wien) 1864 nach Stuttgart zurück. Hier erreicht ihn die Einladung des jungen, schwärmerischen Königs Ludwig II. von Bayern nach München. Ein sorgenloses Leben beginnt nun für ihn. In freudiger Erregung richtet Richard Wagner am 3. Mai 1864 folgenden Brief an den bayrischen König:

Teurer, huldvoller König!
Diese Tränen himmlischester Rührung sende ich ihnen, um Ihnen zu sagen, daß nun die Wunden der Poesie wie eine göttliche Wirklichkeit in mein armes, liebesbedürftiges Leben getreten sind! Und dieses Leben, sein letztes Dichten und Tönen gehört nun Ihnen, mein gnadenreicher junger König: Verfügen Sie darüber als über Ihr Eigentum!
Im höchsten Entzücken, treu und wahr
Ihr Untertan
Richard Wagner

Es entwickelt sich daraus ein ausgiebiger, freundschaftlicher Briefwechsel. In München erlebt Wagner die glänzenden Uraufführungen des „Tristan“ und der „Meistersinger“ unter der Leitung seines Freundes Hans von Bülow. Wegen des rücksichtslosen Betreibens seiner Theaterinteressen in München und der Einmischung in die bayrische Politik muß Richard Wagner 1865 Bayern verlassen. Dennoch unterstützt Ludwig II. ihn großzügig bis zu dessen Tode. Von 1866 bis 1872 lebt Richard Wagner hauptsächlich in Triebschen bei Luzern, zumeist mit Cosima, der Tochter seines Freundes Franz Liszt und Frau seines Freundes Hans von Bülow zusammen. 1869 wird Cosima von ihrem Sohn Siegfried entbunden, nachdem schon vorher die gemeinsamen Töchter Isolde (1865) und Eva (1868) zur Welt gekommen sind. 1870 heiraten Richard Wagner und Cosima, nachdem seine erste Frau Minna Planer verstorben war. Diese Eheschließung führt zuerst zu einer Verstimmung zwischen seinem alten Freund Liszt und auch zu Hans von Bülow. Liszt schreibt später aber versöhnlich:

„Es gibt keine Frau, die dem Zauber eines solchen Genies wie Wagner nicht mit Freuden unterliegt.“

Und Hans von Bülow in einem Brief an Cosima:

„Deine Gegenwart, Dein Blick, Dein Wort, all dieses bildete und bestimmte die Basis für mein Leben. Der Verlust dieses höchsten Gutes, dessen Wert ich erst nach dem Verlust erkenne und der mich moralisch und künstlerisch zugrunderichtet, läßt mich erkennen, ich bin ein Bankrotteur … Du hast es vorgezogen, Dein Leben und die Schätze Deines Herzens einem Wesen zu weihen, daß in jeder Beziehung überragend ist … „.

Und schließlich finden wir in der Tagebucheintragung von Cosima die Worte:

„Ich komme zu Dir (Wagner) und will mein höchstes, heiligstes Glück darin finden, Dir das Leben tragen zu helfen.“

1872 zieht Richard Wagner mit seiner Familie nach Bayreuth und zwei Jahre später ist sein Haus, das er „Wahnfried“ nennt, nach seinem Entwurf fertiggestellt. Das Haus liegt in unmittelbarer Nähe zum Logenhaus. Wiederum zwei Jahre später, im August 1876, wird das Festspielhaus auf dem grünen Hügel mit der vollständigen Aufführung des „Ring der Nibelungen“ im Beisein des Kaisers Wilhelm I. (Freimaurer seit 1840), König Ludwig II., Fürsten und Adligen eröffnet. 1882 findet in Bayreuth die Uraufführung des „Parsifal“, sein letztes großes Werk, statt. Die Aufführung dieses Werkes bleibt bis 1913 dem Festspielhaus in Bayreuth vorbehalten. In die Bayreuther Zeit fällt auch die Freundschaft mit dem Bankier Friedrich Feustel, der von 1863 bis 1872 und 1878 bis 1882 Großmeister der Großloge „Zur Sonne“ ist. Die Begegnung und Freundschaft mit Freimaurern löst beim alten Richard Wagner den Wunsch aus, in eine Freimaurerloge aufgenommen zu werden. Nach eigenem Bericht Feustels hält dieser ein solches Begehren aufgrund logeninterner Gegensätze für wenig erfolgreich und rät Richard Wagner von einem Aufnahmegesuch an die Bayreuther Loge „Eleusis zur Verschwiegenheit“ ab.

Während seines Urlaubs in Venedig stirbt Richard Wagner unerwartet am 13. Februar 1883 an einem Herzleiden und wird einige Tage später, am 18.2.1883, im Garten seines Hauses „Wahnfried“ in Bayreuth beigesetzt.

Was ist nun das Besondere an Wagners Musik?
Die entscheidende Bedeutung Wagners liegt in der Schaffung des sogenannten „Musikdramas“. Während seine ersten Werke noch den Einfluß der italienischen und französischen großen Oper zeigen, vollzieht sich der Umbruch mit seinen Werken während der Dresdner Schaffensperiode und wird mit dem „Tristan“ konsequent bis zu seinem letzten Werk, dem „Parsifal“, weitergeführt. Diese Erneuerung der Oper ist gekennzeichnet einerseits durch die Wahl der Stoffe aus dem Mittelalter, bzw. dem Mythos der germanischen Heldensage, und andererseits der einzigartigen Verschmelzung von Wort, Gesang, Orchestersprache, Handlung, Gebärde, Spiel und Bühnengestaltung zu einem „Gesamtkunstwert“ unter Hinzufügung bzw. Erfindung ganz charakteristischer Themen und Motive wie Gralserzählung im „Lohengrin“, Karfreitagszauber im „Parsifal“ etc. Deshalb gibt Richard Wagner das Gegensatzpaar der Nummernoper – Rezitativ, in dem das dramatische Geschen abläuft, und Da – capo – Arie – auf zugunsten eines Geschehensablaufes, der in der „endlosen Melodie“ gipfelt. Wagner argumentiert, eine dramatische Form, in welcher der Ablauf der Handlung durch einen Stillstand des Geschehens unterbrochen wird, sei unnatürlich und unkünstlerisch. Die mit seinen Absichten verbundene „Kunst des ewigen Überganges“ versucht Wagner fälschlich von den letzten Werken Beethovens herzuleiten. Als notwendiges Formgerüst soll eine teilweise psychologisierende Leitmotiv-Symbolik dienen.

Richard Wagners Interesse für die Freimaurerei und seine Kontakte zu Freimaurern bewirken, daß ihm die freimaurerischen Ideen und Rituale nicht unbekannt bleiben. Besonders im „Lohengrin“ und im „Parzival“ ist dies nachzuvollziehen. In beiden Werken spielt ein geheimnisvoller Tempel eine Rolle. Auch die Ähnlichkeit des „Parzifal“ mit Mozarts Freimaurer-Oper „Die Zauberflöte“ ist nicht zu übersehen. Parsifal muß wie Tamino wandern und wird in einen Tempel eingeführt. Sein weiser alter Führer Gurnemanz ist eine Steigerung des Sarastro in der Zauberflöte. Die zwei großen Tempelfeierlichkeiten, das Liebesmahl im ersten Akt und die Trauerfeier im dritten Akt, haben Anklänge zu zeitgenössischen Tafel- und Trauerlogen-Ritualen. Wesentliche Ereignisse beginnen am Mittag bzw. wenn die Sonne hoch steht oder mit anderen Worten um „Hoch Mittag“. Wie im freimaurerischen Tempel die Arbeitstafel aufgedeckt wird, wird im Tempel des „Parsifal“ der heilige Gral enthüllt.

Ich möchte schließen mit den Worten seines großen Freundes Franz Liszt 1859 nach der Aufführung des „Fliegenden Holländers“:

„Die Opposition, welche Wagner bis jetzt erfahren mußte, ist in vorübergehenden Ursachen, in künstlerischen, um nicht zu sagen künstlichen Gewohnheiten begründet. Die Sympathien, welche er erweckte, sind wesentlich deutsch und national, und darum werden sie es sein, welche Sieger auf dem Kampfplatze bleiben, denn es wäre in den Annalen eines Volkes ein unerhörtes Faktum, daß es nachhaltig einen Autor verleugnete, der seine Sagen und Geschichten, seine Tradition und Gefühlsweise mit den seinem Genius eigentümlichen Kunstformen lebendig in sich aufgenommen und verherrlicht hat. Wagner ist der Begründer der deutschen Oper oder des musikalischen Dramas.“

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