Verhandeln –
Der Standpunkt macht es nicht,
die Art macht es, wie man ihn vertritt.
THEODOR FONTANE
1. EINLEITUNG
Jeden Tag verhandeln wir mit Familienmitgliedern, Arbeitskollegen, Kunden, Vorgesetzten und ggf. Mitarbeitern. Ob wir es nun mögen oder nicht, wir verhandeln, wenn wir über das Gehalt in einem neuen Job oder den Preis einer von uns zu verkaufenden oder selbst einzukaufenden Dienstleistung reden, wenn wir Urlaub haben wollen oder wenn wir mit unseren Kindern bestimmte Erziehungsregeln vereinbaren. Eventuell verhandeln wir sogar mit uns selbst, wenn wir uns bei Erreichen bestimmter Ziele etwas Besonderes gönnen.
Verhandeln ist also offenbar etwas typisch Menschliches. Die Frage ist, ob das Verhandeln an sich als positiv zu beurteilen ist. Ein Blick über den großen Teich in die USA zeigt, dass es dort wesentlich weniger gesetzliche Restriktionen als in Deutschland gibt. In diesem Zusammenhang wird auch von einer Überregulierung in Deutschland gesprochen. Diese größere Freiheit in den USA hat zur Folge, dass dort wesentlich mehr über Verträge und Anwälte geregelt wird, d.h. es wird mehr verhandelt. Gleichzeitig bietet offensichtlich eine Gesellschaft, in der viel verhandelbar ist, dem Einzelnen mehr Freiheiten, um persönliches Glück und Wohlstand zu erreichen. Den Extremfall überregulierter Gesellschaften der jüngeren Geschichte stellten sicherlich die sozialistischen Ostblockstaaten dar, in denen selbst elementare Menschenrechte wie das Recht auf Freizügigkeit oder das Recht auf Eigentum nicht gegeben waren. Am Todesstreifen der DDR gab es nichts zu verhandeln.
Herkömmliche Verhandlungsstrategien wirken oftmals enttäuschend, ermüdend, zermürbend oder sogar befremdlich auf die Verhandlungsparteien. Die scheinbare Alternative besteht offenbar darin, entweder ein weicher Verhandlungspartner zu sein und eigene Positionen um des lieben Friedens willen aufzugeben oder aber eine harte Nuß darzustellen. Die harte-Nuß-Strategie vermeidet zwar das Aufgeben eigener Positionen, kann aber die persönliche oder geschäftliche Beziehung der Verhandlungspartner nachhaltig stören. Bei der Gegenüberstellung von harter und weicher Verhandlungsstrategie haben Fischer und Ury unterschieden:
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Bei der weichen Verhandlungsstrategie sind die Verhandlungspartner Freunde, bei der harten Widersacher oder sogar Gegner;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie ist das Ziel die Einigung, bei der harten ist das Ziel der Sieg;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie werden Zugeständnisse gemacht, um die Beziehung zu pflegen, bei der harten werden Zugeständnisse als Voraussetzung für eine weitere Beziehung verlangt;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie vertraut man einander, bei der harten herrscht Mißtrauen;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie gibt man Positionen relativ leicht auf, bei der harten gräbt man sich in seiner Position ein;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie macht man Angebote, bei der harten droht man;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie akzeptiert man einseitige Verluste, um Übereinstimmung zu erreichen, bei der harten verlangt man diese als Preis für die Übereinstimmung;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie will man Zustimmung erreichen, bei der harten will man seine Position durchsetzen;
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bei der weichen Verhandlungsstrategie gibt man Druck nach, bei der harten erzeugt man Druck.
Diese herkömmlichen Verhandlungsstrategien bezeichnet man auch als Positional Bargaining. Dabei hat jede Seite eine Position, für die argumentiert wird, Zugeständnisse werden gemacht, um einen Kompromiß zu erzielen. Nachteile sind,
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dass die Verhandlungspartner sich stark mit Ihren Positionen identifizieren, so dass ein Aufgeben dieser mit einem persönlichen Gesichtsverlust verbunden ist,
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dass nur noch über Positionen und nicht mehr über die zu lösenden Probleme verhandelt wird und damit kein sachgerechter Kompromiß erzielt wird,
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dass die Verhandlungen in einen Willens- und Nervenkrieg ausarten, bei dem nicht mehr die Sache sondern nur noch die Durchsetzung des eigenen Willens im Vordergrund steht.
In dieser Zeichnung soll über eine weitere Strategie der Verhandlungsführung berichtet werden, „the method of principled negotiation“, entwickelt im Havard Negotiation Project. Hierbei wird versucht,
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die Probleme von den Personen zu trennen,
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sich auf Interessen, nicht auf Positionen zu konzentrieren,
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eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten zu erarbeiten und
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darauf zu bestehen, dass das Verhandlungsergebnis einer objektiven Prüfung standhält.
2. METHOD OF PRINCIPLED NEGOTIATION
2.1 Trenne das Problem von den Personen
Jeder hat schon einmal erfahren, wie schwierig es ist, ein Problem zu verhandeln, ohne missverstanden, ärgerlich oder beleidigt zu werden oder die Dinge persönlich zu nehmen. Jeder Verhandlungspartner hat seinen persönlichen Background von Gefühlen, Werten und Ansichten. Die Verhandlung selbst wird mehr oder weniger von den beiden Motiven der substanziellen Problemlösung und dem Interesse der Aufrechterhaltung der Beziehung beherrscht. In jeder Phase der Verhandlung sollte man sich jedoch fragen: „Schenke ich den Personen und Persönlichkeiten genug Beachtung?“
Herkömmliches Verhandeln belastet die Beziehung, indem das Problem und die Person gekoppelt werden. Dazu zwei Beispiele: „Dein Zimmer sieht aus wie ein Schweinestall“ oder „Wir sind schon wieder mit 2.500 Û im Minus auf dem Girokonto“ beleidigt im ersten Fall das Kind und setzt im zweiten Fall denjenigen unter Druck, der für den Nachschub an Geld zuständig ist. Ein weiteres Beziehungsproblem kann auftreten, wenn die eine Seite von der anderen etwas unbilliges oder nach subjektiver Einschätzung maßlos überzogenes fordert und damit zum Ausdruck bringt, wie wenig Interesse an einer guten Beziehung besteht.
Die meisten Beziehungsprobleme in Verhandlungen können klassifiziert werden in Wahrnehmung, Emotionen und Kommunikation.
Wahrnehmungen
Um Probleme der Wahrnehmung besser lösen zu können, ist es hilfreich, sich in die Lage des anderen zu versetzen. Dazu reicht es nicht aus, von außen den Affen im Käfig zu betrachten und sich vorzustellen, wie der sich wohl fühlt. Vielmehr wäre zum Verständnis der Wahrnehmung des Affen besser, sich selbst in den Käfig zusetzen und von den Zoobesuchern füttern und necken zu lassen. Put yourself into their shoes. Auch ist es gut, über die eigenen Wahrnehmungen mit dem Verhandlungspartner zu sprechen. Dabei sollte man nicht direkt tadeln, sondern deutlich und überzeugend das Positive hervorheben.
Ein weiterer Punkt ist die Einbindung beider Verhandlungsparteien in die Erarbeitung einer Kompromisslösung. Denn eine Lösung, an deren Konstruktion man beteiligt war, akzeptiert man viel leichter als eine von anderen erarbeitete. Hierbei kann gleichzeitig sichergestellt werden, dass beide Seiten ihr Gesicht wahren. Eine bekannte Strategie zur Wahrung des Gesichts ist die Begründung des Urteils bei Gericht. Der Richter verkündet nicht: „Sie haben den Rechtstreit gewonnen, und Sie zahlen die Kosten des Verfahrens“, sondern liefert auch eine Urteilsbegründung, aus der dann vielleicht sogar die Verliererpartei eine gewisse Befriedigung ziehen kann.
Emotionen
Zunächst ist es wichtig, die eigenen Emotionen zu erkennen und zu verstehen. Hier, wie auch bei anderen Dingen im Leben, sind schriftliche Aufzeichnungen sehr hilfreich. Bin ich ängstlich, besorgt, ärgerlich oder erwartungsfroh voller Hoffnung auf einen guten Abschluß? In welcher Gemütslage würde ich mich gerne befinden – voller Selbstvertrauen und entspannt?
Die zweite Frage ist die nach den Ursachen der Emotionen. Bin ich hier in der Verhandlung voller Aggressivität und Ärger, weil mich vielleicht ein ganz anderes Problem drückt? Viele kennen das, man hat Ärger oder Streß bei der Arbeit und lädt diesen am Abend erst einmal zu Hause ab. Schön, wenn man eine intelligente Partnerin hat, die das richtig einzuschätzen weiß. Hier soll es sich bewähren, über die Emotionen während der Verhandlung offen zu diskutieren. Dabei ist man natürlich in der Gefahr, sich eine Blöße zu geben, die von der gegnerischen Partei ausgenutzt werden könnte.
Wenn der Gegner sehr ärgerlich ist, bietet es sich an, dass dieser seinem Ärger erst einmal Luft macht. Das hat mehrere Vorteile. Erstens ist es gut, wenn er sich den Ärger von der Seele redet. Zweitens wirkt dieser Vortrag auf Dritte in der Regel wenig überzeugend oder sogar nervig. Und drittens hat man am Ende des Beschwerdevortrags in der Regel die Möglichkeit darum zu bitten, das Wichtigste noch einmal zusammenzufassen. Damit ist beim Verhandlungspartner dann meist die Luft raus. Selbst wenn man persönlich angegriffen wird, sollte man auf keinen Fall emotional werden, sondern ganz ruhig bleiben und den anderen ermuntern, weiter Dampf abzulassen. Eine Grundregel in den 50er Jahren in Arbeitgeber/Arbeitnehmerverhandlungen in der US-Stahlindustrie bestand darin, dass immer nur eine Partei zur Zeit ärgerlich sein durfte.
Schließlich gehört zu den Emotionen auch die Thematik der symbolischen Gesten. Das kann z.B. eine rote Rose für die Partnerin zur Versöhnung, die Einladung zu einem gemeinsamen Essen oder ein Mitbringsel für die kleinen Kinder sein. Diese Gesten kosten nicht viel, haben aber oft eine große emotionale Wirkung. Andererseits kann das Unterlassen entsprechender Gesten, z. B. das Vergessen der Geburtstagsgratulation, der fehlende Dank für Gastfreundschaft oder die Nichteinhaltung bestimmter Geschenkrituale zu Weihnachten eine Beziehung unnötig belasten.
Kommunikation
Ein weiteres Problem bei Verhandlungen kann in der beschränkten Wahrnehmung der gegnerischen Argumente bestehen, nach der Devise „Die Worte hört ich wohl, allein mir fehlt der Glaube“. Man glaubt oder traut dem anderen nicht oder man ist in der eigenen Gedankenwelt oder den eigenen Argumentationsketten so versunken, dass man die Welt des Gegners nicht erfassen kann.
Das zweite Problem sind Missverständnisse. Diese können aufgrund unklarer Formulierungen, Sprachproblemen oder auch mangelnder Aufmerksamkeit des Zuhörers entstehen. Hier hilft zuhören, nachfragen, hinterfragen und wiederum sich in die Lage des Gegners zu versetzen. Eventuell hilft es auch, die Argumente des Gegners mit eigenen Worten zu wiederholen, um sicherzustellen, dass man diese richtig verstanden hat. Den anderen zu verstehen hat nichts damit zu tun, dessen Argumentation auch zuzustimmen. Dem Gegner zu signalisieren, dass man ihn verstanden hat, bringt den weiteren Vorteil, dass dieser das Gefühl hat, ernst genommen zu werden. Kaum etwas ist schlimmer, als dem anderen das Gefühl von Verachtung zu geben: „Du redest sowieso nur Mist, es ist Zeitverschwendung, Dir zuzuhören.“
Das dritte Problem der Kommunikation kann man in der Politik beobachten. Dort wird oftmals nicht sachgerecht argumentiert, weil man gar nicht das Problem lösen will, sondern vielmehr in der Öffentlichkeit gut ankommen möchte. Eine Grundregel könnte daher lauten, den Kreis der Verhandlungspartner oder Gegner klein zu halten und Vertraulichkeit zu vereinbaren.
Die dritte Kommunikationsregel lautet: Spreche nicht über den Gegner und dessen Lage, sondern wenn es sinnvoll ist, über die eigenen Emotionen“. So ist die folgende Äußerung wenig hilfreich „Ich kann ihren Ärger über dieses Projekt sachlich nicht nachvollziehen, aber mir ist bekannt, dass Sie sich gerade scheiden lassen und kann deshalb Ihre cholerische Grundhaltung gut verstehen“. Eigene Emotionen oder Grenzen werden besser nicht nach außen getragen. Wenn man zugibt, dass man das Haus auch für 400 TDM verkauft hätte, jetzt aber schon ein Preis von 420 TDM vereinbart ist, führt das bei dem Käufer zu Ärger. Auch wäre es eine ganz schlechte Idee, eigene Schwäche zuzugeben, die in der Regel schamlos ausgenutzt werden würde.
Ein weiterer Punkt betrifft den Aufbau einer möglichst guten, vielleicht sogar persönlichen Beziehung zum Verhandlungspartner. Hierzu kann Small Talkdienen, bei dem man unverfängliche Themen wie die Anreise, das Wetter u. ä. anspricht. Finanzen, Sex und Religion sollten als Themen gemieden werden. In einer aufgelockerten Atmosphäre ist es eher möglich, als Partner gemeinsam eine sachgerechte Lösung zu erarbeiten, ohne in die Rolle von Gegnern zu fallen.
Insgesamt kann man die Kommunikations-Grundregel formulieren: Eine gute Verhandlungsatmosphäre schaffen, zuhören, verstehen und nicht unnötig Informationen preisgeben.
2.2 Verhandele über Interessen, nicht über Positionen
Ein kleines Beispiel zu Beginn: Zwei Männer sitzen in einer Bibliothek und streiten darüber, ob ein Fenster auf oder zu sein soll. Sie kommen zu keiner Einigung, soll das Fenster halb offen, ein Viertel offen oder was auch immer sein. Da kommt eine Bibliothekarin hinzu und fragt: „Männer, was streitet ihr ?“ Da sagt der eine: „Mir ist die Luft zu stickig, hier stinkt’s“, darauf der andere „Und mir zieht es im Kreuz, wenn die kalte Luft hereinzieht“. Die Dame überlegt kurz und geht dann in den Nachbarraum, um dort ein Fenster zu öffnen, was Frischluft hereinlässt.
Die Geschichte veranschaulicht eine typische Verhandlungssituation, in der über Positionen gestritten wird und wo nicht nach den zugrunde liegenden Interessen gefragt wird.
Oftmals verbergen sich hinter gegensätzlichen Positionen sowohl gemeinsame als auch gegensätzliche Interessen. Wie können nun diese Interessen offengelegt werden? Eine Frage ist die nach dem „warum?“ bzw. „warum nicht?“ Die Beantwortung dieser Frage bringt oftmals eine Vielzahl von Interessen ans Licht. Die mächtigsten Interessen stellen die menschlichen Grundbedürfnisse dar:
- Sicherheit,
- ökonomischer Wohlstand,
- soziale Zugehörigkeit,
- Anerkennung,
- Kontrolle über das eigene Leben
- sowie Liebe und Sex.
Bevor über diese Interessen gesprochen wird, sollte man sie sortieren, aufschreiben und so genau wie möglich spezifizieren. Dabei ist es wenig hilfreich, alte Negativ-Erfahrungen hervorzukramen und damit den Verhandlungspartner unter Druck zu setzen. Besser ist der Blick nach vorn, wie es in einer Personalmarketing-Broschüre von P&G geschrieben steht: „Imagine what comes next!“ Denn auch hier sollte wieder gelten: Hart in der Sache, freundlich im Ton.
2.3 Erarbeite Lösungen zum beiderseitigen Vorteil
Auch hier wieder ein Beispiel: Zwei Kinder streiten um eine Orange. Sie einigen sich darauf, die Orange zu teilen, so dass jeder ein Hälfte bekommt. Das eine Kind verzehrt nun seine halbe Orange und schmeißt die Schale weg, wohingegen das andere Kind die Schale fein säuberlich abschält, daraus einen Kuchen backt und das Fruchtfleisch wegschmeißt. Einige Verhandlungen enden so, dass man sich zwar einigt, diese Einigung bei objektiver Betrachtung aber für beide Seiten mehr Nutzen hätte bringen können.
Der Grund hierfür ist oftmals eindimensionales Denken, ein Mangel an Phantasie und die Fixierung auf einen Verhandlungsgegenstand nach der Devise: „Es ist schon schwer genug, bei diesem Problem zu einer Einigung zu kommen, jetzt brauchen wir uns nicht noch in anderen Dingen zu verlieren“. Auch wird oft gedacht: „Das ist nicht mein Problem, sollen die doch sehen, wie sie damit fertig werden“. Oder es werden dem anderen in Wirklichkeit nachteilige Problemlösungen oder Trojanische Pferde angeboten. Dieses Verhalten ist psychologisch verständlich, da der Verhandlungspartner ja so etwas wie ein Feind für mich ist, jedoch ist das Ergebnis wiederum sachlich unbefriedigend. Besser wäre es, das Problem des anderen so zu lösen, als wenn es mein eigenes wäre.
Bei der Vorgehensweise zur Erarbeitung von Lösungen zum beiderseitigen Vorteil sollten die Phasen der Lösungsfindung und die der Entscheidung streng voneinander getrennt werden. Bei der Lösungsfindung kann z. B. eine Technik wie das Brainstorming eingesetzt werden. Dabei werden erst einmal alle möglichen Ideen gesammelt, ohne dass diese bewertet werden. Dann werden die besten Ideen selektiert. Diese können wiederum als Generatoren für weitere Optionen verwendet werden. Dabei geht man in vier Schritten im Zirkelschluß vor:
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Zunächst wird das konkrete Problem benannt, z. B. eine stinkender, dreckiger Fluß, der durch unsere Stadt fließt.
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Im zweiten Schritt wird die Situation im allgemeinen beschrieben, die Dinge werden sortiert und analysiert, z. B. könnte flußaufwärts eine chemische Fabrik Abwässer in den Fluß einleiten, die Bauern könnten zu viel Gülle ausbringen oder der Fluß könnte zu wenig Sauerstoff haben.
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Im dritten Schritt wird dann wiederum allgemein untersucht, was man tun könnte, z. B. die eingebrachten Abwässer zu reinigen oder die Fließgeschwindigkeit des Wassers zu erhöhen.
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Schließlich wird im letzten Schritt ganz konkret festgelegt, was zu tun ist, z. B. die chemische Fabrik zu verklagen, ein Wehr wegzureißen oder ähnliches.
Eines der Hauptprobleme bei der Problemlösung liegt in der Annahme einer begrenzten Verhandlungsmasse, im amerikanischen fixed pie: Je mehr Du bekommst, um so weniger bleibt für mich übrig. Oder nehmen wir das Schachspiel. Es sieht aus wie ein Nullsummenspiel: Wenn der eine gewinnt, verliert der andere – stimmt nicht, denn ein großer Hund rempelt den Tisch an und verschüttet das Bier über Armani-Anzüge der beiden Spieler. Man sollte also nicht nur gemeinsame Verluste vermeiden, sondern nach gemeinsamem Gewinn suchen. Dafür ist es wichtig, zunächst gemeinsame Interessen zu identifizieren.
2.4 Bestehe auf Prüfung der Handlungs-Alternativen nach objektiven Kriterien
Wie gut man auch immer die Interessen des Verhandlungspartners versteht, so bleibt am Ende doch oftmals der blanke Gegensatz bestehen: Ich möchte das große Eckzimmer mit dem schönen Blick haben – mein Partner möchte es auch. Ich möchte an dem Auftrag mehr verdienen – mein Kunde möchte weniger zahlen. Diese Interessengegensätze können nicht unter den Teppich gekehrt werden.
Die nahe liegende Möglichkeit, diesen Interessengegensatz durch einen Nervenkrieg zu lösen nach der Devise: „Ich verlasse nicht eher diesen Raum, bis Sie mir eine akzeptable Lösung für das Problem anbieten!“ führt selten zu allseits befriedigenden Ergebnissen. Einer hält sich am Ende meist für den Dummen.
Die Lösung besteht darin, ein möglichst hohes Maß an objektiven Kriterien zur Anwendung zu bringen. Bei meinen Projekten in der Automatisierungstechnik bestehe ich darauf, dass ein Pflichtenheft zusammen mit dem Kunden geschrieben wird, bevor die eigentliche Lösung erarbeitet wird. Gute Kunden bestehen hierauf schon von sich aus. In diesem Pflichtenheft ist die Funktion der Anlage oder Maschine haargenau festgelegt. Auch Vorgehensweisen, wie die Durchführung von Änderungen der Anforderungen sowie die Abnahme des Automatisierungssystems sollten festgelegt sein. Dabei muß ich mich davor hüten, Dinge oder Leistungen zu garantieren, auf die ich keinen Einfluß habe. So kann ich als Automatisierer von Verpackungsmaschinen nicht die Maschinenleistung in soundsoviel Gebinde pro Minute garantieren, da diese Leistung ganz wesentlich von der Mechanik der Maschine bestimmt wird, ich aber nur für die Elektrik und Automatisierung verantwortlich zeichne. Zusammenfassend sind objektive Kriterien in jedem Fall sinnvoll, wobei man zusätzlich noch prüfen sollte, ob diese im konkreten Fall auch sachgerecht sind.
Nun ist die Festlegung objektiver Kriterien offenbar schon in der Technik nicht ganz einfach, wie schwer ist diese dann erst in anderen Bereichen? Als Mindestanforderung sollten objektive Kriterien unabhängig vom Willen der Verhandlungspartner sein. Zusätzlich sollten die Kriterien
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dem allgemeinen Standard und Recht entsprechen,
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mit den guten Sitten vereinbar sein,
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praktikabel sein
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und von beiden Seiten akzeptiert werden können.
Manchmal hilft es auch, eine Münze zu werfen, eine Sache abwechselnd zu nutzen oder einen Dritten entscheiden zu lassen.
Der Vorteil der Anwendung objektiver Kriterien ergibt sich zum einen aus diesen sachgerechten Kriterien selbst und zum anderen aus der grundsätzlich objektiven Verfahrensweise. Indem man das Richtige und Gute zur Anwendung bringt, wird man selbst gut und stark.
3. Zusammenfassung
In dieser Zeichnung wurden zunächst die beiden konventionellen Strategien der weichen und harten Verhandlungsführung gegenübergestellt. Dabei sind die wesentlichen Nachteile, dass man bei der weichen Strategie zu viel verliert und bei der harten eventuell die ganze Beziehung ruiniert. Eine Lösung für dieses Problem ist die in Havard entwickelte Method Of Principled Negetation. Hierbei wird das Problem losgelöst von den verhandelnden Personen betrachtet; verhandelt werden Interessen und nicht Positionen, eine Vielzahl von Lösungsmöglichkeiten wird erarbeitet bei gleichzeitigem Aufzeigen gemeinsamer Interessen, und das Verhandlungsergebnis wird am Ende einer objektiven Prüfung unterzogen. Bei konsequenter Anwendung dieser Methode von beiden Seiten kann man erreichen, dass beide Seiten als Gewinner aus der Verhandlung gehen, und das ist doch das, was wir uns als Freimaurer wünschen.
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4. Literatur
Roger Fisher and William Ury, Getting To Yes – Negotiating Agreement Without Giving In, Penguin Books USA Inc., New York, USA, 1991