Das Ende der Demokratie

Kategorie(n): , , ,

Die Vollendung ist eine Grenze und die
Vollkommenheit immer ein gültiger Abschluß.

(Aristoteles).

Die Zeit der endlichen Welt geht zu Ende, und wir erleben das Ende der Geographie, die Globalisierung der Geschichte. Es wird auch das Wort „Planetarisierung“ schon benutzt. So kann man es positiv ausdrücken, und alle sind zufrieden. Aber man kann es auch negativ sehen. Schlagworte sind: „Das Ende der Demokratie“ oder „Der vierte Weltkrieg“.

Wie ist es dazu gekommen? Schlagworte sind: „Fusionen, dritte industrielle Revolution, Internet, Handy, Arbeitskosten, Transportkosten.“ Die Containerschiffe der nächsten Generation haben 98.000 PS Antriebsleistung und fassen 8000 Container. Löhne und Beschäftigung können von der allgemeinen Liberalisierung nur profitieren, sagt man uns.

Schauen wir nach unserem Vorbild Amerika. Der durchschnittliche Stundenlohn von Beschäftigten ohne höhere Schulbildung ist in den letzten zwanzig Jahren um ein Drittel gefallen: 1973 lag er bei 11,85 Dollar, 1993 bei 8,64 Dollar. Für sie haben die Soziologen eine neue Gruppe erfunden, die der „working poor“, jener Beschäftigten, die immer ärmer werden, obwohl sie arbeiten. Auch in England und Frankreich gehören immer mehr Menschen zu dieser Gruppe. Bei der allgemeinen Liberalisierung können Produkte aus China, Süd-Korea, Singapur, Indonesien, auch Tunesien und Marokko Wunder vollbringen und ein günstiges Klima für Geschäfte unter totalitären Systemen schaffen, die freie Gewerkschaften verbieten und niedrige Stundenlöhne garantieren.

Wo ist der Wert der Globalisierung und Liberalisierung? Es sind 200 Großfirmen und 450 Milliardäre, die den Weltmarkt beherrschen. Allein die 450 Milliardäre verfügen über mehr Reichtum als die Hälfte der Weltbevölkerung; das sind 450 zu 2,5 Milliarden Unternehmen. Unter dem gewaltigen Druck von Finanzzyklonen fallen innerhalb von Minuten Staaten in sich zusammen wie z.B. Thailand, Indonesien, Malaysia, Philippinen. Investitionsbanken und Maklergesellschaften haben wissentlich den Aktien- und Devisenmarkt manipuliert. Schon zeichnet sich die Gefahr des Zusammenbruches des japanischen Banksystems ab. Dank eines äußerst vielfältigen Instrumentariums können sich Spekulanten nur Teile des Reichtums aneignen, die in Form von Gütern und Dienstleistungen produziert werden. Ohne mit der Realwirtschaft verbunden zu sein, sind sie dennoch imstande, große Industrieunternehmen in den Konkurs zu treiben.

Die Waffe des 4. Weltkrieges ist die „Kapitalbombe“. Unter diesem Bombardement sinken weltweit die Löhne, öffentliche Gesundheits- und Erziehungsprogramme werden gekürzt und die Ungleichheit wächst. Weltweit gibt es 1 Milliarde Arbeitslose; das ist fast ein Drittel aller Erwerbstätigen. Bill Clinton hat den Ausspruch getan: „Innenpolitik ist gleich Außenpolitik“. Im November 1996 haben nur 48,8 % der wahlberechtigten Amerikaner gewählt, die niedrigste Wahlbeteiligung seit 1924. Die früheren Lenker der Volkswirtschaften werden nun selber gelenkt oder besser, ferngelenkt. Der nationale Markt, eines der Fundamente der Macht, hat unter der Wirkung globaler Finanzwirtschaft keine Überlebenschance. Ein griechischer Bauer sagte: „Das einzige Recht, das wir haben, ist abzustimmen; das hilft uns auch nicht weiter.“ Anthropologisch würde man sagen: ein Staatschef habe heutzutage das auszuführen, was andere ihm vorschreiben.

Wie geht es weiter? Die weltweite Kaufkraft hat sich auf wenige Märkte verengt. Mit Ausnahme des blühenden Marktes für Luxusgüter, die für das sozioökonomisch meist begünstigte Kundensegment bestimmt sind, schrumpfen die Absatzchancen für gängige Konsumgüter weiter zusammen.

Nach dem Ende der Demokratie wird also das nächste Thema lauten: Das Ende des Kapitalismus.

* * *

 

Quellen:

  • Prof. Riccardo Petrella: Falsche Nutzung globaler Ressourcen
  • Prof Bernard Cassen: Globalisierung geht auf Kosten der Demokratie
  • Paul Vivilio: Ende der Geschichte oder Ende der Geographie
  • Ejercito Zapatista: Der vierte Weltkrieg hat schon begonnen
  • Prof. Nüchel Chossudovsky: Die internationalen Finanzmärkte auf Schlingerkurs

(alle Artikel aus „Le Monde Diplomatique“, Juni, August und Dezember 1997)

* * *

 

Die größte Spekulation der Welt
wäre es, einen Politiker zu dem Wert
einzukaufen, den er hat,
und ihn zu dem Wert zu verkaufen,
den er sich selbst einräumt.

(André Kostolany, 1906 – 1999)