Zweifle an allem wenigstens einmal und wäre es auch der Satz „Zweimal zwei ist vier“!
(Lichtenberg)
Das Wahrig Wörterbuch definiert Zweifel als „Unsicherheit, nicht festes Wissen, nicht fester Glaube, inneres Schwanken“.
Mit Zweifel bezeichnet die deutsche Sprache auch das „In Frage stellen“ von Informationen jeder Art, von persönlichen Erfahrungen bis hin zu gesellschaftlichen Umgangsformen. Es ist somit auch die Fähigkeit, Informationen eigenverantwortlich zu reflektieren und gegebenenfalls auf Grundlage eigener Erfahrungen und Überzeugungen zu einem anderen Ergebnis zu kommen, als die Informationsquelle mit der Präsentation derselben ursprünglich intendierte.
Zweifel ist unterteilt in Reflexion und Selbstreflexion. Beides sind wichtige Bestandteile dessen, was wir als Intelligenz bezeichnen und entscheidend bei Erwerb und der Erweiterung von Wissen.
Täglich fällen wir, basierend auf unseren Erfahrungen und Überzeugungen, Entscheidungen. Manche Entscheidungen erweisen sich als richtig – manche als verkehrt. Je umfangreicher die Tragweite der Entscheidung ist, desto eher sollten wir an unseren Erfahrungen und Überzeugungen zweifeln.
Ketzerisch gesprochen sind bei vielen Menschen die Erfahrungen etwas von gestern, was zur Problemlösung im Heute schlecht geeignet ist. Und die Überzeugung ist oftmals nur ein großer Haufen von nicht durch Fakten gestützten Vorurteilen.
Eine Entscheidung ist das Ergebnis einer Prozeßkette der Entscheidungsfindung. Alle ihr zugrunde liegenden Fakten bilden die Basis für das Entscheidungsergebnis. Zugleich muß uns hier bewußt werden, daß das Ergebnis maximal nur so gut ist, wie die vorliegenden Fakten. Da die Fakten jedoch immer einigen Filtern des Menschen ausgesetzt sind, wie zum Beispiel Tilgung, Verallgemeinerung und Verzerrung von Informationen, zeigt die Praxis, daß das Ergebnis auch deutlich schlechter als die Fakten ausfallen kann.
Dies ist im Fall einer zum Anzug farblich nicht perfekt passenden Krawatte durchaus trivial; jedoch steigt die Brisanz bei wichtigen Entscheidungen wie im extremsten Fall das Verhängen eines Todesurteils. Bewußt wähle ich ein Extrem, da hier die Auswirkungen einer falschen Entscheidung brutal deutlich werden.
Viele Informationen werden von uns ungeprüft übernommen. Besonders aufgewertet werden sie, wenn sie einen amtlichen Absender haben oder von einer anerkannten Institution kommen. Schließlich wagt es kaum jemand, deren Fachkompetenz in Zweifel zu ziehen. Und so können Jahrzehnte vergehen, bis irgendwann das Lexikon der populären Irrtümer uns darüber aufklärt, daß der Eisengehalt von Spinat doch nicht so hoch ist, da man bei der originären Messung das Komma verkehrt gesetzt hat.
Zum Glück hat dieser falsche Meßwert bisher nicht unser Leben gefährdet. Wie sieht jedoch die Situation aus, in der ein Kranker statt einer 1%igen Lösung nun eine 10%ige Lösung erhält, da bei der Berechnung aus dem Labor ein Komma falsch gesetzt wurde? Wie viele Menschen würden denn in diesem Fall den Zweifel, den sie haben, auch laut äußern und sich damit im ersten Moment vielleicht unbeliebt machen? Zweifel zu haben ist viel leichter, als Zweifel zu äußern!
Viele Informationen bedürfen der kritischen Überprüfung. Denn Ursprung und ursprüngliche Fragestellung sind nicht mehr erkennbar. Hier ist also gesunder Zweifel gefragt, der das Informationspaket kritisch durchleuchtet und erst danach über seinen Einsatz entscheidet.
„Zweifle nicht! Vor allem nicht an dir selbst! Aber sei offen!“
(Verfasser unbekannt)
Den Zustand der Ungewißheit nennt man Zweifel. Er entsteht, wenn man sich zwischen mindestens zwei Ansichten über einen Sachverhalt nicht entscheiden kann.
In der Erkenntnistheorie bezeichnet der Begriff des methodischen Zweifels das systematische „In Frage Stellen“ nicht gesicherter Annahmen.
Soll ich nun mehr zweifeln? Muß ich wirklich alles in Frage stellen, was andere schon längst bewiesen haben? – Komme ich dann überhaupt noch zu einer Entscheidung? Denn schließlich leben wir in einer Welt, in der der Schnelle den Langsamen frißt. Sind nicht letztendlich Entscheider gefragt, die schnell und ohne viel Umschweifen eine Entscheidung fällen?
Umgekehrt zeigen die Umsatzentwicklungen bei den Unternehmensberatungen deutlich auf, daß der Bedarf an Entscheidungshilfe immer weiter zunimmt. Schließlich sind viele Firmen im Zweifel, welchen strategischen Schachzug sie als nächstes ausführen sollen. In einem immer komplexeren System, vergleichbar mit einem Mobile, ist es schon schwer zu erahnen, was eine Veränderung von nur einem Ast für das Gesamte bedeutet.
Hier sind nun Menschen gefragt, die vieles in Zweifel ziehen, alte Verhaltensweisen hinterfragen und kritisch prüfen, ob die Erfahrungen von gestern noch die Probleme von heute lösen: Menschen, die aufhören zu reden, um zuzuhören, zu fragen und kontinuierlich zu lernen.
Aber wie soll ich den Zweifel qualifiziert belegen? Schließlich wird jede Ansicht, die wir mit brillant geschliffenem Wort und voller Überzeugung vertreten, von der Gegenseite mit gleicher Inbrunst vertreten. Letztendlich gibt es zu jeder These immer auch eine passende Anti-These. Und bin ich meinem Redner überhaupt ebenbürtig?
„Vertraue nur dir selbst, wenn andere an dir zweifeln, aber nimm ihnen ihren Zweifel nicht übel!“
(Rudyard Kipling)
Irgendwie komme ich immer mehr dahin, daß Zweifel auch etwas mit Arbeit zu tun hat. Es ist deutlich einfacher, eine Meinung zu übernehmen, besonders wenn sie gut klingt, als mühsam die Fakten zu durchleuchten, alternative Informationen zu beschaffen und gegen die Widerstände meine Zweifel darzustellen. Umgekehrt: Wenn ich nicht irgendwann einmal anfange, meine Zweifel zu haben, was würde mit mir passieren, wenn ich nicht zweifle? Werde ich dann jemals zur wirklichen Größe heranwachsen können? Kinder besitzen bis zu einem gewissen Alter die hervorragende Eigenschaft, alles zu hinterfragen, für sich transparent zu machen; ja, sie haben an fast allem, was ihnen die Erwachsenen vorsetzen, so ihre Zweifel! Sie unterliegen nicht den Programmierungen wie z.B. „Man zeigt nicht mit dem Finger auf Menschen!“. Damit zeichnen sie sich ihre persönliche Landkarte eines uns allen bekannten Gebietes – nämlich der eigenen Umwelt.
Dies bedeutet auch ein hartes Stück Arbeit für die Kinder, die es zum Glück spielerisch umsetzen. Hier knüpfen nun meine Gedanken an den rauhen Stein an. Die tägliche Arbeit an uns macht den Stein immer vollkommener; jedoch ist diese Arbeit nie zu Ende. Besinnen wir uns unserer Verantwortung als Freimaurer, so wird uns allen klar, daß auch Zweifel nichts anderes ist, als Arbeit am rauhen Stein! Erst mit dieser Arbeit können wir wachsen.
Gerade unsere Gespräche bieten jedem eine neutrale Plattform, sich in Zweifel zu üben und das neue Wissen des Zweifels verantwortungsvoll innerhalb unserer Umwelt umzusetzen.
Vielen Sachen werden ungefragt angenommen und nicht angezweifelt. Es dauert oft sehr lange, bis sich alte Verhaltensweisen ändern. Sollten wir nicht bei uns aktiv anfangen und täglich eine Entscheidung bewußt in Zweifel ziehen und es genießen, wie wir im Dialog des Zweifels auch neue Perspektiven einnehmen und dadurch neues Wissen erwerben und kontinuierlich am rauhen Stein arbeiten?
„Wer fragt, ist für einen Moment ein Narr – wer nicht fragt, bleibt es für sein Leben“
(alte chinesische Weisheit)
Letztendlich ist jeder von uns gefordert, das richtige Verhältnis von Zweifel und schneller Entscheidungsfindung zu finden.
„Im Zweifel tue stets das Richtige“
(Verfasser unbekannt)
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