– oder –
warum ein Freimaurer auch ein Egoist sein sollte
Ja. liebe Brüder, Ihr habt Euch nicht verhört. Ich will mit meiner Zeichnung zur Diskussion stellen, ob wir als Freimaurer die Kunst, ein Egoist zu sein, – und glaubt mir, es ist eine Kunst, ein rechter Egoist zu sein – nicht erlernen oder zumindest vervollkommnen sollten. Sicher denkt Ihr jetzt, der Bruder muß wohl total verrückt geworden sein, wir als Freimaurer sehen doch gerade die Brüderlichkeit und die Toleranz als hohes Gut an. Da ist man doch als Egoist in unserem Bund völlig fehl am Platz, zumal Egoisten den ständigen Drang verspüren, sich immer und überall in den Vordergrund zu spielen. Egoisten sind doch rücksichtslos, nur auf ihren Vorteil bedacht, sie nutzen andere aus, so ist doch unsere Vorstellung? Ist Euch, liebe Brüder, ein solcher Egoist wirklich schon einmal begegnet?
Liebe Brüder, meine Zeichnung soll provozieren, zum Widerspruch herausfordern und eine lebhafte Diskussionsgrundlage bieten; keinesfalls jedoch ist damit auch nur der geringste wissenschaftliche Anspruch verbunden. Im Gegenteil, sie kann und soll ihm überhaupt nicht standhalten. Mit provokanten Thesen zum Nachdenken anzuregen, ist aber nicht nur erlaubt, sondern manchmal auch notwendig. Oft erreicht erst die Zuspitzung eines Themas ein Insichgehen.
Ich will zunächst versuchen, den Begriff des Egoismus ein wenig zu beleuchten und dann fragen: Was ist Gutes am Egoisten? Warum sollte gerade ein Freimaurer auch ein Egoist sein? Zur Verdeutlichung und Klarstellung: Ich spreche hier nicht von dem Egoisten, der in seiner krassesten Form ein Egozentriker ist, dessen Selbstbezogenheit meist auch durch innere Leere gekennzeichnet ist. Nicht vom Egoisten, der Emotionen aus Angst davor ablehnt, daß andere Macht über ihn erlangen können und demnach auch allen denen mißtraut, die ihm Gefühle entgegenbringen, dem Egozentriker, der auch notfalls vor Intrigen nicht zurückschreckt, wenn es gilt, seine Ziele durchzusetzen und Menschen für seine Zwecke benutzt, um nicht zu sagen mißbraucht. Nein, liebe Brüder, diesen Egoisten meine ich nicht.
Einen fest umrissenen Begriff für einen Egoisten habe ich nirgendwo gefunden. Man kann aber sagen, daß die landläufige Meinung einen Egoisten als einen Menschen ansieht, dem es sowohl im Denken wie auch im Handeln fast ausschließlich um den eigenen Vorteil, auch um Macht, Bequemlichkeit, Erfolg und Gewinn für sich selbst geht.
In der Psychologie geht man davon aus, daß auffallender Egoismus nicht angeboren ist, sondern in der Regel auf Einflüsse der Umwelt und besonders der Kindheit und Jugend zurückzuführen ist. Aber manchmal hat man den Eindruck, daß die Psychologie nur zu gerne angebliches Fehlverhalten Erwachsener auf Erlebnisse der Kindheit zurückführt, ja gerade sogar damit entschuldigt. Hier sehen die Psychologen auch ein Vorbild oder Fehlverhalten der Eltern, durch das Kinder und Jugendliche zu Egoisten werden.
Aber ist es so völlig falsch, wenn Heranwachsende bereits egoistisch werden? Ich will versuchen, auch hierauf im Verlauf meiner Zeichnung eine Antwort zu geben. Zusammenfassend könnte man nun sagen, daß Egoismus eine Eigenschaft ist, die nichts Positives und Nachahmenswertes bedeutet. Egoismus ist allgemein negativ belegt.
Aber das ist so nicht richtig. Denn begegnen wir da nicht schon einem Vorurteil? Ist Egoismus wirklich eine Charaktereigenschaft, die wir ablehnen müssen? Können wir von Egoisten wirklich nichts lernen?
Wir können durchaus.
In der vergangenen Woche stellte ein Bruder während einer Diskussion die Frage: Was ist denn die Bestimmung des Menschen? Eine allgemeingültige Antwort darauf haben wir nicht gefunden. Ich stelle die Frage anders und bekomme dann eine Antwort: Was ist der Sinn Deines Lebens?
Antwort: Das Leben hat den Sinn, den Du ihm gibst.
Das bedeutet im Klartext, daß wir unserem Leben einen Sinn geben müssen, nämlich aus eigener Kraft glücklich zu werden und frei zu sein. Erfüllen wir den Sinn unseres Lebens nicht, so leben wir auch nicht das Leben, das wir leben könnten.
Also muß ich das Leben leben, wie es mir entspricht. Da es keine Garantie gibt, daß ich auch morgen frei und glücklich leben kann, muß ich mich täglich immer wieder darum bemühen, die Probleme und Herausforderungen zu lösen, die meinem Glück und meiner Freiheit im Wege stehen. Ich muß daran arbeiten, daß der rauhe Stein nicht weitere Ecken und Kanten bekommt, die ich mühsam abschlagen muß.
Wie sieht unser Leben aus, wie sind unsere Bedingungen?
Gerade hatten wir Wahlen mit Versprechungen von Politikern, die gemacht wurden, obwohl sie diese schon ein paar Tage nach der Wahl als unhaltbar erklären mußten.
Aber warum werden gerade die Politiker gewählt, die Versprechungen machen, daß sie für unser Wohlergehen sorgen, daß sie besonders die sozialen Themen belegen, daß es niemandem schlechter, aber vielen besser gehen soll, daß sie dafür Sorge tragen würden, daß sich der Staat um alles kümmern würde? Würde nur immer ein Bruchteil aller Versprechungen eingelöst, so wären wir wunschlos glücklich. Warum sind wir es nicht? Warum werden nicht die Parteien gewählt, die uns reinen Wein einschenken, uns sagen, wie es wirklich um uns bestellt ist und daß nur wir selbst die Karre aus dem Dreck ziehen können? Warum gibt es diese Partei nicht? Warum lassen wir zu, daß Politiker uns in die Rollen von Kindern versetzen, die man mit Beschwichtigungen vor den echten Problemen oder der Unfähigkeit, sie zu lösen, ablenkt oder gar versucht, Ängste, selbst Kriegsängste einzuflößen, falls man sich für eine andere Partei entscheidet?
Nun, es ist ja viel bequemer, den Politikern ohne eigenes Nachdenken zu glauben, sich auf die Versprechungen zu verlassen und damit die Selbstverantwortung wieder abzugeben. „Die haben Schuld, die haben uns doch versprochen“ können wir dann sagen. Wir werden somit abhängig von diesen Menschen, werden regelrecht manipuliert. Dabei sollte jedem klar sein, daß wir nichts, überhaupt nichts geschenkt bekommen, daß alles, was wir erreichen wollen, seinen Preis hat, der bezahlt werden muß. Wer aber genau weiß, was er im Leben erreichen will, wird auch mit den Herausforderungen fertig, die ihm im Leben immer wieder begegnen.
Die Menschen aber, die immer darauf warten, daß man ihnen hilft, ihnen alles abnimmt, haben nicht begriffen, daß sie eben nicht den Sinn des Lebens leben, nämlich frei und glücklich zu sein. Eine Politik, die uns vorgaukelt, uns alles abzunehmen, für alles zu sorgen, macht uns unfrei. Sie entzieht uns die Eigenverantwortung und macht sie überflüssig. Auch macht uns diese Politik abhängig. Wundern wir uns nicht, wenn es eben wieder genau diese manipulierten Menschen sind, die sich immer wieder für diese Politiker entscheiden. Freiheit im Denken und Handeln, die auf Verantwortung beruht, ist ihnen fremd, sie ist ihnen ausgetrieben worden, ohne daß sie es merkten. Ein Egoist, auf seine Freiheit, den Wert seiner eigenen Entscheidungen bedacht, gehört nicht zu den Verführten, den Manipulierten. Er ist frei und auch bereit, den Preis für sein Freisein zu zahlen.
Egoismus, liebe Brüder, steckt – ich sage zum Glück – in uns allen. Aber wir müssen lernen, aus dem Egoismus das Beste für uns zu machen. Auf keinen Fall sollten Schuldgefühle aufkommen, wenn wir zuallererst an uns denken. Nun höre ich den einen oder anderen Bruder sagen: Wo kommen wir denn hin, wenn jeder egoistisch denkt? Dann, liebe Brüder, kommen wir dahin, daß sich jeder mehr um sich als um andere kümmert, und dann gibt es weniger unglückliche Menschen. Es ist das Recht, nein die Pflicht eines jeden von uns, sich über den Sinn seines Lebens bewußt zu werden, sich an seinen wahren Bedürfnissen zu orientieren und Freude zu empfinden. Wer nur dafür lebt, bei anderen beliebt zu sein, muß sich eines Tages vor dem großen Baumeister aller Welten eingestehen: „Ja, ich habe gelebt, aber es war nicht mein Leben.“
Dies, liebe Brüder, ist meine Aufforderung an Euch, konsequent ein Egoist zu sein. Nun kommt ein weiterer Einwand: „Was wir gelernt haben, was uns anerzogen wurde, daß Egoismus zu verabscheuen ist, soll plötzlich nicht richtig sein?“
Hier ist schon eine Wurzel des Übels: „Andere haben uns gesagt…“ Warum berufen wir uns auf andere? Warum ist das, was andere sagen, richtig? Warum lassen wir es zu, daß andere die Maßstäbe der Beurteilung festlegen? Tun wir es doch selbst und schon machen wir einen wichtigen Schritt Richtung Egoismus, denn so wird die Beurteilung anderer an Bedeutung verlieren.
Natürlich ist es eine Kunst, ein Egoist zu sein, ein Abenteuer, wie ich es einmal gelesen habe, ein Leben zu führen, wie es uns und nicht den anderen gefällt.
Die Beschäftigung mit der Kunst des Egoismus wird zu völlig anderen Lebensgewohnheiten führen. Nicht nur unser Selbstbewußtsein wird zunehmen, auch die Meinung anderer über uns wird an Bedeutung verlieren. So können wir unser Leben verändern, können tun, was wir für richtig halten, ohne zu fragen, ob anderen das gefällt. Schließlich haben wir nur die Wahl zwischen zwei Möglichkeiten, unser persönliches Glück zu finden: Entweder führen wir ein Leben, in dem wir uns der Gemeinschaft anpassen, sie als unseren Schutzwall gebrauchen, und zahlen als Preis eine Abhängigkeit von anderen oder wir führen egoistisch das Leben, das wir führen möchten, und tragen dafür auch die volle Verantwortung.
Natürlich ist das leichter gesagt als getan. Schließlich sind wir geprägt von Glaubenssätzen, die uns anerzogen wurden oder von denen wir durch Erfahrungen glauben, daß sie richtig sind.
Da aber nur wir selbst unsere wirklichen Wünsche kennen, kann niemand ein größeres Interesse als wir selbst an deren Verwirklichung haben. Wir aber beschäftigen uns damit, was anderen gefallen könnte. Damit vergeuden wir nicht nur Zeit, sondern auch Energie, die wir besser für uns einsetzen sollten. Wir müssen das durchsetzen, was wir als richtig erkannt haben und das lassen, was wir als falsch erachten, auch wenn wir uns damit gegen viele Widerstände durchsetzen und verwirklichen müssen. Einem Egoisten fällt es leicht „nein“ zu sagen. Haben wir damit nicht oftmals unsere Probleme? Sagen wir nicht häufig „ja“, obwohl wir lieber „nein“ gesagt hätten? Oder beziehen aus Angst, jemandem weh zu tun und uns unbeliebt zu machen, keine Stellung nach dem Motto: „Einerseits und andererseits“ und sind, wie Wilhelm Busch einmal sagte : Ein „Jenachdemer“?
Ein Egoist lehnt Anliegen ab, die ihn nicht weiterbringen, ein Egoist fragt sich immer: Was bringt es mir? Egoisten halten sich fern von Aktivitäten und Dingen, die ihnen nicht dienlich sind. Sie verbringen auch ihre kostbare Freizeit nicht mit Menschen, die ihnen die Zeit stehlen. Wenn Egoisten ein Problem nicht lösen können, lösen sie sich von dem Problem.
Das ist nicht nur Egoismus, sondern auch soziale Kompetenz. Ein sozial kompetenter Mensch kann mit seinem Leben konstruktiv umgehen. Professor Szondy, der Begründer der Schicksalstheorie, vertritt die These, daß der Mensch zu 85% sein eigenes Schicksal selbst bestimmt. Es verbleiben noch die 15% des Unvorhergesehenen, aber 85% sind eine ganze Menge! Ist es wirklich verachtenswert, wenn wir die 85 % egoistisch selbst in die Hand nehmen, liebe Brüder?
Wie sieht oft der Alltag aus? Wie oft tun wir Dinge, die wir gar nicht tun wollen, nur weil „man“ sie macht. Oder wie oft tun wir etwas, was gegen unsere innere Überzeugung ist, nur weil „man“ es macht.
Kennen wir nicht die einfachen Dinge wie: „Was soll der Nachbar denken, wenn wir das Unkraut so wuchern lassen?“ Also gehen wir in den Garten und jäten Unkraut. Der Nachbar hat uns manipuliert, ohne es zu wissen. Wir haben es zugelassen und uns abhängig von dem Denken des Nachbarn gemacht – obwohl wir das ja nicht einmal wissen, sondern nur vermuten, was er über uns denkt. Viel lieber hätten wir die Zeitung in Ruhe gelesen oder uns Ruhe gegönnt. Ich habe zum Beispiel eine uralte Jacke, die ich liebe. Sie ist aber völlig unmodern, die Farbe steht mir nicht, so etwas trägt „man“ heute nicht mehr, ich also auch nicht. Warum lasse ich zu, daß die Mode mich manipuliert, warum trage ich nicht egoistisch diese alte Jacke, wenn ich mich darin so wohl fühle? Statt mich wohlzufühlen und meine Zeitung zu lesen, meine Ruhe zu genießen, zahle ich lieber einen unnötigen Preis und gehe widerwillig in den Garten, zahle den Preis an das Modische, und fühle mich obendrein nicht wohl. Ich kümmere mich also mehr um andere, als um mich. Die Regeln anderer mache ich zu meinen Regeln. Was tut „man“ nicht alles, liebe Brüder, nur weil „man“ es tut.
Ich habe 22 Jahre in einem Dorf gewohnt. Ich behaupte, daß die Dorfbewohner mehr als 50 % Ihrer Tätigkeiten nur deshalb ausführen, weil „man“ es so macht und nicht aus eigener Erkenntnis. So wird zum Beispiel jeden Freitag der Bürgersteig gefegt, weil „man“ es so macht. „Man“ will ja nicht abseits stehen. Egal ob es nötig ist, es wird gefegt auf Teufel komm raus, ob es einem gefällt oder nicht, ob es überhaupt nötig ist oder nicht. „Man“ macht es eben jeden Freitag. Als artiger Dorfbewohner habe ich es auch gemacht, weil „man“ glaubte, es machen zu müssen. Jeden Montag kam die Müllabfuhr. Ab 6.00 Uhr morgens standen dann die Mülltonnen aufgereiht und ausgerichtet wie die Soldaten auf dem Exerzierplatz exakt an der Straßenkante. Wehe, „man“ wäre auf die Idee gekommen, schon am Sonntag die Tonne hinzustellen. Das macht „man“ doch nicht. So wurde auch der Rasen regelmäßig gemäht, die Ecken und Kanten getrimmt, die Beete geharkt, dem Unkraut der Garaus gemacht, im Winter der Schnee geschaufelt, auch wenn nur der erste Flaum gefallen war und noch keine Rutschgefahr bestand.
Bitte gestattet mir auch ein Wort an die Schwestern, auch wenn ich mich damit bei ihnen unbeliebt mache. Aber wer von uns, liebe Brüder, hat für ähnliches Verhalten unserer Liebsten nicht genug Beispiele? „Ich muß die Gardinen waschen und die Fenster putzen, was sollen die Leute bloß denken?“ Sie putzen also die Fenster und waschen die Gardinen, damit die Leute nicht denken oder so denken, wie sie es gerne hätten; dabei wissen sie überhaupt nicht, was die Leute denken, und ich bezweifele, ob sie überhaupt an dreckige Gardinen und schmutzige Fenster der Schwester denken.
Ich selbst bin ein entschiedener Gegner von Weihnachtsbäumen, trotzdem habe ich jedes Jahr einen Baum gekauft, eingestielt und geschmückt. „Man“ hat eben zu Weihnachten einen Weihnachtsbaum. Was sollte „man“ von mir denken, Weihnachten ohne Tannenbaum?
Ich war also nicht frei, im Gegensatz zum Egoisten.
„Das kann man doch nicht machen, das tut man doch nicht“… diese Sätze hören wir von Kindesbeinen an. Warum handeln wir immer noch danach? Warum respektieren wir andere Menschen zuviel und uns zuwenig? Als Freimaurer müssen wir freie Männer von gutem Ruf sein. Sind wir freie Männer? Lassen wir uns nicht täglich manipulieren? Sind wir wirklich frei in unseren Entscheidungen und führen das Leben, das unserem Sinn entspricht?
Übernehmen wir wirklich die Verantwortung für unser Glück, weil uns diese niemand abnehmen kann und verstecken uns nicht in der Gemeinschaft, die uns alles abnimmt oder vorgibt, es abnehmen zu wollen?
Nehmen wir unser Leben selbst in die Hand, ohne anderen unsere Unzufriedenheit in die Schuhe zu schieben und Schuld für unser Unglück zu geben, wenn etwas nicht so läuft, wie geplant?
Freie Männer zu sein heißt auch volle Verantwortung für uns zu übernehmen. Da die Erziehung, die wir genossen haben, den Egoisten in uns nicht förderte, müssen wir hier einen Lernprozess durchmachen.
Rückblickend kann ich sagen, daß ich froh wäre, hätten meine Eltern mich weniger zur Anpassung an die Gesellschaft und mehr zum Egoismus erzogen. „Sei rücksichtsvoll -, nur wenn Du anderen hilfst, wird Dir geholfen – , ein guter Mensch stellt seine Bedürfnisse zurück, wenn er damit anderen dienen kann -, Geld macht nicht glücklich – , Eigennutz tut selten tut“ – usw. Derartige Glaubenssätze begleiteten mich durch mein Elternhaus und die Schule.
Heute weiß ich, daß alles das völlig falsch war. Warum haben wir nicht von Kindesbeinen an gelernt, nach persönlichem Glück, Liebe, Freiheit, Wohlstand und Lust am Leben zu streben? Weil es egoistisch ist?
Natürlich, unsere Erziehung war gut gemeint, aber als Konsequenz führt sie dazu, daß wir angepaßte Menschen werden, uns abhängig machen von anderen, dadurch leicht manipuliert werden können und nicht den Sinn unseres Lebens leben. Dies hat zur Folge, daß viele Menschen eben nicht am Leben teilnehmen, sondern im Fernsehen das Leben sehen, welches sie selbst vielleicht gerne führen würden. Ja, ihr Terminkalender, wenn sie denn einen solchen haben (bei manchen ersetzt das Fernsehprogramm den Terminkalender), ist genau danach ausgerichtet, nur ja keine der vielen Serien zu verpassen, die ihnen dieses Leben zeigt. Zu gern würden sie selbst im Strom des Lebens eigenverantwortlich mitschwimmen und ein Leben nach ihrem Gusto führen. Wer nach eigenen Vorstellungen leben will, muß für sich die Entscheidung fällen, Fremderziehung durch Selbsterziehung zu ersetzen. Sonst hat er keine Chance, ein Egoist zu sein.
Schlechtes Gewissen, liebe Brüder, wenn wir egoistisch nur den Sinn unseres Lebens leben wollen? Nein, nein und nochmals nein!
Ich zitiere an dieser Stelle Epicur, ein Zitat, das ich den Menschen immer und immer wieder vorsagen und in Erinnerung rufen möchte, die mit Erziehung zu tun haben, seien es Eltern, Lehrer, Ausbilder oder wer auch immer:
„Die Lust ist Anfang und Ende des glücklichen Lebens. Sie ist der Ausgangspunkt für alles Wählen und Meiden, und auf sie gehen wir zurück, indem diese Seelenregung uns zur Richtschnur dient für die Beurteilung jeglichen Gutes.“
Was zeichnet den Egoisten schlußendlich aus, daß wir es ihm gleichtun sollen:
- Er fällt die Entscheidungen für sein Leben selbst und läßt sich nicht manipulieren. Er weiß, was für ihn gut ist, äußert klar seine Wünsche und läßt sich nicht von anderen leiten, denn wer sich von anderen leiten läßt, kann niemals das Leben führen, das er führen möchte.
- Er kennt den Sinn seines Lebens und strebt danach aus eigener Kraft, glücklich und frei zu leben. Er schafft es, seine geheimen Wünsche, Träume und Sehnsüchte zu erfüllen, weil er eben nicht auf andere Rücksicht nehmen muß.
- Er verläßt sich auf sich selbst und nicht auf andere, denn niemand hat ein größeres Interesse an seiner Befriedigung als er selbst.
- Da er alleinverantwortlich entscheidet, übernimmt er auch die Konsequenzen seiner Handlungen und versucht nicht, diese bei Mißerfolg anderen in die Schuhe zu schieben, um sein Versagen zu rechtfertigen.
- Er setzt alle verfügbaren Kräfte ein, seine Wünsche zu verwirklichen und Befriedigung zu erlangen. Sein Ziel verliert er nie aus den Augen.
- Er ist bereit, anderen zu helfen, ohne deren Verantwortung zu übernehmen. So macht er weder sich noch den anderen abhängig.
- Er macht sich unabhängig von der Meinung anderer und macht sich keine Gedanken darüber, ob andere ihn mögen, wenn er seinen Standpunkt vertritt.
- Er macht seine Grenzen deutlich und verteidigt seinen persönlichen Schutzraum.
Folglich können sich Egoisten selbst verwirklichen, denn sie sind freie Menschen. Tatsache ist aber auch, daß wir alle Egoisten sind. Wir werden als einzelne geboren, um uns als einzelne zu erfüllen. Schließlich sind wir mit der Fähigkeit zu denken, zu fühlen, zu lieben, zu hassen und zu lügen ausgestattet. Wir haben die Fähigkeit, an uns zu glauben und uns selbst zu lieben. „Liebe deinen nächsten wie dich selbst“, so steht es im Buch des heiligen Gesetzes. Wie aber können wir unseren Nächsten lieben, wenn wir uns nicht selber lieben? Nur wer sich selber liebt, kann andere Menschen lieben, sich selbst aufrichtig lieben kann man nur, wenn man den Sinn seines Lebens lebt. Den Sinn seines Lebens kann man nur leben, wenn man sich frei macht von Zwängen, der Meinung anderer, der Politiker, der Weltverbesserer, der Gaukler, Rattenfänger, der Manipulierer und Besserwisser. Davon frei machen kann man sich mit den von mir beschriebenen Eigenschaften des Egoisten. Wir als Freimaurer wollen als freie Männer am Tempelbau der Menschheit arbeiten.
Ein Egoist ist ein freier Mann. Im Buch der Lebenskünste steht das Motto: „An jedem Tag Dein Leben nach eigenen Vorstellungen zu leben, ist das Handwerk des Lebens. An jedem Tag frei und glücklich zu sein, ist die Kunst des Lebens.“