On the Level – Wertschätzung und Augenhöhe im freimaurischen Kontext

In unserem Streben nach Erleuchtung und Selbstverbesserung werden wir dazu aufgefordert, unsere symbolischen Werkzeuge auf den rauen Stein unseres eigenen Wesens anzuwenden.

Heute möchte ich Euch einladen, gemeinsam mit mir über das Thema meines Gesellenstückes nachzudenken, das nicht nur unser Handeln als Freimaurer, sondern auch unser Leben in der Gesellschaft auf eine höhere Stufe heben kann.

Meine Brüder, ein wichtiger Ausdruck, der in der englischsprachigen Freimaurerei eine große Bedeutung hat, ist „On the Level“. Wörtlich übersetzt bedeutet das „auf gleicher Ebene“, doch seine Bedeutung geht weit über die einfache Symbolik der Geometrie hinaus. Für uns Freimaurer steht „On the Level“ für das Prinzip der Gleichheit und des gegenseitigen Respekts, das den Kern unseres Umgangs miteinander bildet. Es bedeutet, dass wir uns in der Loge – und auch außerhalb – mit Würde und auf Augenhöhe begegnen, unabhängig von Rang, Stand, Herkunft oder äußeren Umständen.

„On the Level“ ist auch ein Aufruf, wie wir mit anderen Menschen umgehen sollen. Die Haltung der Augenhöhe, die wir in der Loge üben, soll auch unser Verhalten in der Welt außerhalb der Loge prägen. Wertschätzung und Gleichwürdigkeit bedeuten, dass wir unseren Mitmenschen nicht herablassend begegnen, sondern ihre Einzigartigkeit und ihr inneres Wesen anerkennen. Es geht darum, das Gemeinsame über das Trennende zu stellen und Unterschiede als Bereicherung zu verstehen, statt sie als Anlass für Spaltung oder Überheblichkeit zu sehen.

„On the Level“ verlangt von uns auch, wahrhaftig und authentisch zu sein. Eine Begegnung auf Augenhöhe erfordert, dass wir ehrlich und ohne Täuschung handeln.

Die freimaurerische Lehre fordert von uns, mit Wahrhaftigkeit und Ernsthaftigkeit aufzutreten und unser Wort immer mit Bedacht zu geben. Wer auf gleicher Ebene mit anderen steht, gibt ihnen Raum für ihre eigene Wahrheit und begegnet ihnen mit echter Offenheit.

Diese Prinzipien sind besonders wichtig, weil sie die Grundlage für Vertrauen und Harmonie schätzen, die in einer Loge – und in jeder Gemeinschaft – notwendig sind.

Ein freimaurerisches Miteinander, das „On the Level“ lebt, stärkt den Zusammenhalt und ermöglicht einen offenen Austausch von Gedanken und Gefühlen, frei von Vorurteilen und Standesdenken. Die Amtsabzeichen der hammerführenden Meister, die uns im Ritual begegnen, erinnern uns immer wieder an diese Prinzipien, die tief in die Bedeutung dieser Tugenden hineinleuchten.

Das Winkelmaß lehrt uns, gerecht zu denken und zu handeln, und hier beginnt die Wertschätzung: in der Anerkennung der Würde jedes Menschen (Artikel 1 Grundgesetz), unabhängig von Rang, Stand oder Leistung.

Wertschätzung ist keine oberflächliche Höflichkeit oder ein Mittel zum Zweck, sondern Ausdruck einer tiefen Humanität, die uns als Freimaurer leitet.

So wie wir mit dem Senkblei die Lotrechte suchen, die sich in unserem Gewissen widerspiegelt, so fordert uns auch die Wertschätzung auf, das Wesentliche im Menschen zu erkennen – das, was oft verborgen bleibt, aber die wahre Grundlage seines Seins ist. Jedes aufrichtige Wort des Dankes, jedes ehrliche Zeichen des Respekts ist ein Beitrag zu dem größeren Bauwerk, das wir als Brüder gemeinsam errichten: eine Gesellschaft, die auf Frieden und Menschlichkeit gegründet ist.

Das Symbol der Winkelwaage, das für Gleichgewicht und Gleichheit steht, lehrt uns die Kunst der Begegnung auf Augenhöhe. Augenhöhe bedeutet nicht, alle Menschen gleich zu machen. Es bedeutet, die Verschiedenheit der Menschen zu schätzen und als Reichtum zu betrachten, ohne jemanden über einen anderen zu stellen. Jeder Mensch hat seinen Platz, und nur wenn wir diese Vielfalt anerkennen, kann unser gemeinsames Werk gelingen. In all unseren Regeln, von der Freimaurerischen Ordnung über die Alten Pflichten bis zu den Old Landmarks, finden wir den Auftrag, das Wohl der Menschheit zu fördern. Sie fordern von uns, eine Gemeinschaft zu schätzen, die durch Toleranz, Brüderlichkeit und Humanität geprägt ist.

Diese Werte werden lebendig, wenn wir versuchen, Wertschätzung zu einer Haltung zu machen, die uns durchdringt. So schaffen wir einen Raum, in dem wahre Brüderlichkeit gedeihen kann, und wir tragen diese Haltung hinaus in die Welt, die so sehr danach verlangt. Dies geschieht nicht nur durch große Taten, sondern auch durch kleine, tägliche Akte der Wertschätzung und des Respekts. Ein offenes Ohr, ein geduldiges Zuhören – das sind die unscheinbaren, aber kraftvollen Bausteine einer Welt, in der Vertrauen und Zusammenhalt wachsen können.

Lasst uns nicht vergessen, meine Brüder, dass unsere Arbeit an uns selbst und an der Gemeinschaft nie endet. Jeder Hammerschlag am rauhen Stein unseres Wesens, jede Anwendung unserer symbolischen Werkzeuge in Denken und Handeln bringt uns näher an das Ideal, das unsere Logenarbeit symbolisiert. Indem wir Wertschätzung und Augenhöhe nicht nur in unserer Loge, sondern auch in unseren Familien, in der Arbeit und im öffentlichen Leben üben, geben wir dem freimaurerischen Geist Gestalt. Wir zeigen, dass wir als Freimaurer die Lehren, die uns anvertraut wurden, nicht nur verstanden, sondern auch verinnerlicht haben. So lasst uns, Brüder, das Licht der Menschlichkeit und Wertschätzung in uns entzünden und es mit Ernst und Wahrhaftigkeit in die Welt tragen. Möge unser Miteinander immer von der der Harmonie geprägt sein, die die wahre Schönheit der freimaurerischen Arbeit ausmacht.