Life Work Planning

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Die berufliche Tätigkeit hat großen Einfluss auf unser Leben. Einen erheblichen Anteil unserer Zeit auf dieser Erde verbringen wir in der Arbeitswelt. Für einen normal Berufstätigen beträgt diese Zeit mehr als 80.000 Stunden. Der Beruf, den wir ausüben, beeinflußt unser Ansehen bei Mitmenschen, und legt zumeist auch den finanziellen Rahmen fest, in dem wir uns mit unseren Konsum- und Freizeitgewohnheiten zu bewegen haben. Auch innerhalb der Freimaurerei wird die berufliche Tätigkeit der Logenbrüder beachtet. So führt das Mitgliederverzeichnis neben dem Namen auch den ausgeübten Beruf auf. Die gute Durchmischung einer Loge mit Menschen aus unterschiedlichsten Berufen gewährleistet die interessante Diskussion eines Themas aus verschiedenen Blickwinkeln.

Wie aber kommt ein Mensch im Laufe seines Lebens zu seinem Beruf?

Die meisten Menschen orientieren sich bei der Berufswahl am Bedarf des Arbeitsmarktes. Der Aspekt des prognostizierten Wachstums einzelner Branchen oder die Höhe der zu erwartenden Entlohnung spielen häufig eine ausschlaggebende Rolle. Die Entscheidung stützt sich dabei oftmals auf Informationen aus Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen und dem Internet.

Menschen, die bei der Berufswahl auf diese Weise vorgehen, nehmen eine passive Rolle ein, indem sie den Markt über ihren Beruf entscheiden lassen. In unseren schnelllebigen Zeiten birgt diese Vorgehensweise unkalkulierbare Risiken. Als Beispiel sei der Sektor der Informationstechnologie genannt. Noch vor einem Jahr regte das Internet hier die Wachstumsphantasien an. Als Folge dieser Euphorie stiegen die Aktienkurse, und den expandierenden Softwarefirmen mangelte es an Fachkräften. Vor diesem Hintergrund entschieden sich viele für einen Beruf in dieser Branche. Die Studentenzahlen in den Informatik-Fachbereichen explodierten. Heute ist die Euphorie verflogen, und viele Firmen der sog. „New Economy“ existieren nicht mehr. Die Auswirkungen sind auch auf dem Arbeitsmarkt spürbar. In drei bis vier Jahren werden diese Studenten, die sich während des Internet-Booms für den Beruf des Informatikers entschieden haben, auf den Arbeitsmarkt treffen. Es ist fraglich, ob die für ihre Berufswahl ausschlaggebenden Faktoren dann noch zutreffend sind.

Für Menschen, die den Markt über ihre Berufswahl entscheiden lassen, besteht neben der Gefahr, einem Zyklus hinterherzulaufen, außerdem noch das Risiko der Enttäuschung. So lernt der durchschnittliche Arbeitnehmer seinen Beruf erst kennen, nachdem er ihn angenommen hat. Wer dann nach langer Ausbildung in einem Beruf steht, den er sich ganz anders vorgestellt hat, kann leicht in eine persönliche Krise geraten. Als Folge stellt sich Unzufriedenheit ein, und der Wunsch nach einem beruflichen Wechsel entsteht.

Untersuchungen zufolge sollen 60 Prozent der Deutschen keinen Spaß an ihrer Arbeit haben. 30 Prozent aller Angestellten hätten gar innerlich gekündigt und würden ihr Engagement auf das notwendigste beschränken. Wenn diese Zahlen zutreffend sind, dann ist eine bessere Berufs- und Lebensplanung auch volkswirtschaftlich von Bedeutung.

Eine Methode zur Berufsfindung ist das Life/Work Planning (LWP) des evangelischen Pastors Richard Nelson Bolles. Sein Buch „What color is your parachute“ wurde in mehr als 6 Millionen Exemplaren verkauft und gehört damit zu den 100 meistgekauften Büchern in englischer Sprache. LWP ist ursprünglich das Ergebnis eines Projektes der amerikanischen evangelischen Kirche und wurde in den 70er Jahren als gewerkschaftliches Bildungsprogramm verbreitet. Bolles fordert in seiner Methodik den Leser auf, zunächst in sich zu schauen und Antworten auf die folgenden Fragen zu finden:

Was ist Ihre Berufung auf dieser Erde?
Was sind Ihre Träume?

In dieser nach innen gerichteten Analyse sind Parallelen zur Freimaurerei erkennbar. Die Popularität der Life/Work Planning Methodik von Bolles resultiert aus der gut gegliederten Vorgehensweise zur Selbstanalyse. Von zentraler Bedeutung sind dabei die Fähigkeiten, über die der einzelne Mensch verfügt. Für viele Menschen besteht jedoch das Problem, die eigenen Fähigkeiten weder richtig wahrnehmen noch artikulieren zu können. Sie sehen durchaus ihr Fachwissen und ihre Eigenschaften, können diese aber auf Nachfrage häufig nicht richtig darstellen.

So wird der Begriff „Fähigkeiten“ leicht zu einer Art Schreckgespenst, weil eine geeignete Sprache zur Selbstrepräsentation nicht vorhanden ist. Dies hängt zum einen mit kulturellen Normwerten zusammen. So wurde uns bereits in der Erziehung die Bescheidenheit als eine Tugend vermittelt. Zum anderen ist die Angst groß, den Mund zu voll zu nehmen und später als Eingebildeter oder Angeber abgestempelt zu werden.

Da jeder Mensch über Fähigkeiten verfügt und diese seit seiner Kindheit auch benutzt, ist die Analyse der Fähigkeiten in erster Linie ein Problem der Wahrnehmung. Bolles empfiehlt hier Geschichten über verschiedene Ereignisse im eigenen Leben zu verfassen. Dabei soll es um Situationen gehen, in denen Schwierigkeiten gemeistert wurden, um ein bestimmtes Ziel zu erreichen. Die Analyse dieser Geschichten führt zu den eigenen Fähigkeiten und natürlichen Begabungen hin.

Bolles unterscheidet 3 Hauptgruppen von Fähigkeiten:

  • Körperliche Fähigkeiten
  • Geistige Fähigkeiten
  • Zwischenmenschliche Fähigkeiten

Auch in dieser Gruppierung lassen sich Elemente der Freimaurerei erkennen. So könnten diese 3 Hauptgruppen mit den Säulen der Stärke, Weisheit und Schönheit verglichen werden.

Neben der Bestimmung und Darstellung der eigenen Fähigkeiten ist die Erkennung der persönlichen Interessen ein weiterer Schritt innerhalb der Selbstanalyse nach Bolles. Im Zeitalter der schnelllebigen Konsumgüter ist es häufig schwierig, eine als authentisch empfundene Antwort auf die Frage nach den eigenen Interessen zu finden. Viele Dinge werden als „interessant“ wahrgenommen; nichts ragt besonders heraus. So sind politische Themen häufig interessant, ebenso der letzte Urlaub. Durch gezielte Fragen leitet Bolles dazu an, seine eigenen Interessen herauszuarbeiten. Wer sich auf diese Art mit seinen eigenen Interessen auseinandersetzt, der erhält Antwort auf die Fragen:

Was packt Dich oder fesselt Dich gar?
Was bewegt Dich?

Ehrliches Interesse an einer bestimmten Thematik ist die Basis für das eigene Durchhaltevermögen und Vorraussetzung für Zufriedenheit im Beruf. Interesse an einer Thematik ist damit eine wertvolle Qualifikation.

Nach der Klärung der eigenen Fähigkeiten und Interessen geht es bei Bolles im nächsten Schritt darum, beides miteinander zu kombinieren. Das Ziel ist es, ein Tätigkeitsfeld zu finden, das es erlaubt, die erkannten Fähigkeiten möglichst optimal einzusetzen und gleichzeitig die eigenen Interessen verfolgen zu können. Bei dieser Suche hilft der Rat von Experten. Verschiedene Personen, die in den Interessengebieten arbeiten, werden nach ihrer Ansicht gefragt, welche Tätigkeit die eigenen Fähigkeiten und Interessen am besten in Einklang miteinander bringt. Auf diese Weise entsteht ein konkretes Bild vom Wunschberuf.

Die Analyse der eigenen Gaben und Talente sowie der persönlichen Interessen dient nicht nur der Selbsterkenntnis, sondern ist außerdem noch Bestandsaufnahme dessen, was der einzelne der Arbeitswelt zu bieten hat. Wer sich auf diese Weise mit sich selbst beschäftigt hat, der wird auch bei der Stellensuche Nutzen daraus ziehen. So kann er etwa in einem Vorstellungsgespräch seine Fähigkeiten darstellen und anhand von Beispielen aus seinem Leben belegen.

Im Unterschied zu anderen Methoden der Karriereplanung geht es bei LWP nicht darum, den eigenen Lebenslauf möglichst stromlinienförmig einem – wie auch immer gearteten – Idealbild anzupassen. Es geht auch nicht um die Fragestellung, was zu tun ist, um bei der Bewerberauswahl um eine offene Stelle möglichst die Nase vorn zu haben. Vielmehr geht es darum, die Ecken und Kanten der eigenen Persönlichkeit möglichst intensiv auszuleuchten, um dann die für sich passende berufliche Position zu finden, die es erlaubt, mit den vorhandenen Fähigkeiten die eigenen Interessen zu verfolgen. Somit besteht die Möglichkeit, einen Beruf auszuüben, den man wirklich will. Für denjenigen, der seine Tätigkeit auch als Berufung empfindet, werden sich Erfolge und Zufriedenheit zumeist auch automatisch einstellen.

Die Zeit, die wir im Beruf verbringen, ist nur ein Teil unserer Zeit auf dieser Erde. Der vierundzwanzig-zöllige Maßstab lehrt uns, unsere Zeit einzuteilen. Neben der Arbeit bleibt uns noch Zeit für uns selbst. Die Trennung zwischen Arbeit und Freizeit lässt sich leider nicht immer vollständig aufrechterhalten. Probleme nehmen wir häufig ungewollt von der Arbeit mit nach Hause. Umgekehrt können berufliche Erfolge uns auch in positiver Weise über die Arbeitszeit hinaus beeinflussen. Ein erfülltes Berufleben erlangt damit eine wichtige Bedeutung .

Wenn jemand vertrauensvoll seinen Träumen folgt
und danach strebt so zu leben, wie er es sich vorstellt,
dann werden seine Erfolge jede Erwartung übertreffen.

Henry David Thoreau

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Literatur:

Bolles, Richard Nelson: „Durchstarten zum Traumjob“, Campus Verlag, Frankfurt 2000